Das ist ein Schwarz-Weiß-Foto. Hilda sitzt in einem Korbstuhl in einem Garten. Sie trägt ein dunkles Kleid und lange geflochtene Zöpfe. Nach rechts angelehnt blickt sie in die Kamera. Auf ihrem Schoß sitzt seitlich Frieda. Frieda trägt ein helles kurzärmeliges Kleid und hält eine Hand von Hilda. Frieda guckt nach links aus dem Bild heraus.

Frieda Neumann auf dem Schoß ihrer älteren Halbschwester Hilda Janssen, vermutlich an Hildas 17. Geburtstag am 4.5.1931.

Privatbesitz Familie Alpha.

FRIEDA NEUMANN (1930 – 1942)

Frieda Neumann stammte aus Wittmund an der Nordseeküste. Sie war das jüngste von sechs Kindern. Zwei ihrer Brüder waren 1941 im Krieg gefallen. Im August 1942 wurde Frieda von einer Gesundheitspflegerin begutachtet, die daraufhin telefonisch die Aufnahme in die »Kinderfachabteilung« Lüneburg beantragte. Das amtsärztliche Gutachten wurde nachgereicht. Eigentlich sollte Frieda bei der Einweisung nur von der Pflegerin begleitet werden, aber ihr Vater kam mit. Er wollte wissen, wohin seine Tochter gebracht wurde.

Der Vater schrieb danach viele Briefe und fragte nach, wie es seiner Tochter ginge. Weil er keine zufriedenstellenden Antworten bekam, schickte er Ende September 1942 Friedas ältere Schwester Hilda nach Lüneburg. Sie war schockiert über Friedas Zustand. Frieda war abgemagert, hatte Schürfwunden und Ausschlag. Hilda beschwerte sich darüber beim Pflegepersonal. Am 15. Oktober 1942 kam der Vater selbst nach Lüneburg. Auch er war entsetzt und kündigte an, seine Tochter woanders unterzubringen.

Willi Baumert antwortete auf den Vorwurf der Familie: »Man fragt sich auch, ob bei der Wertlosigkeit dieses Menschenmaterials in der augenblicklichen Kriegszeit mehr verantwortet werden könne.«

Friedas Eltern beantragten am 18. November 1942 ihre Verlegung nach Bethel bei Bielefeld. Doch Frieda verließ Lüneburg nicht mehr lebend. Nur eine Woche nachdem der Oberpräsident der Provinz Hannover der Verlegung nach Bethel zugestimmt hatte, erhielt der Vater ein Telegramm: »Tochter Frieda mit hohem Fieber erkrankt.« Vier Tage später war sie tot. Als offizielle Todesursache wurde »Lungenentzündung« angegeben.

FRIEDA NEUMANN

kommt aus Wittmund.
Sie hat 6 Geschwister.
2 Brüder sterben als Soldaten.
Das ist 1941.

1942 kommt eine Pflegerin zu Frieda nach Hause.
Sie sagt:
Frieda muss in eine Kinder-Fach-Abteilung.
Der Amts-Arzt schreibt das auch.
Aber ein paar Tage später.

Frieda kommt nach Lüneburg.
Die Pflegerin bringt sie.
Ihr Vater kommt mit.
Er will wissen:
Wo bleibt Frieda.

Er schreibt Briefe.
Er bekommt keine guten Antworten.
Darum kommt ihre Schwester zu Besuch.
Ihre Schwester ist geschockt.

Frieda geht es schlecht.
Sie ist mager.
Sie hat Wunden.
Sie hat Haut-Ausschlag.
Der Vater kommt dann auch noch.
Er ist auch erschrocken.
Der Vater beschwert sich.
Aber Willi Baumert sagt:
Menschen wie Frieda verdienen es, nicht besser behandelt zu werden.

Der Vater sagt:
Frieda muss in eine andere Anstalt.
Sie soll nach Bethel.
Sie bekommt dort einen Platz.
Aber sie kommt da nicht mehr an.
Denn:
Sie stirbt wenige Tage danach.
Sie stirbt bevor sie nach Bethel kommt.
Sie wird ermordet.
Aber es wird gesagt:
Frieda stirbt an einer Lungen-Entzündung.
Das ist eine Lüge.

Auf dem Foto ist Frieda mit ihrer Schwester Hilda.
Das Foto ist von 1931.

Max Bräuner schrieb an das Staatliche Gesundheitsamt:

»Wenn die Familie Neumann mit der hiesigen Pflege unzufrieden ist, so sei es ihr ja anheimgestellt, das Kind wieder in ihre eigene Pflege zu übernehmen.«

Das entsprach nicht seinem tatsächlichen Handeln.

Der Brief ist DIN-A4-groß und gelocht. Es ist beidseitig mit der Schreibmaschine beschrieben. Die Schrift auf der Rückseite ist durch das dünne Papier sichtbar. Der Brief trägt die handschriftliche Unterschrift von Max Bräuner.

Brief von Max Bräuner an das Staatliche Gesundheitsamt Wittmund vom 17.10.1942.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 56/83 Nr. 145.