Anzeige zur Sterilisation von Henny Tost vom 4.10.1934.

NLA Hannover Hann. 138 Fallingbostel Acc. 37/96 Nr. 296.

HENNY TOST (1900 – 1935)

Henny Tost stammte aus Schneverdingen und war eines von fünf Kindern. Sie hatte von Kindheit an eine Entwicklungsverzögerung und lebte bei ihrer Mutter Margarethe Tost. Ihr Vater war Landwirt und in Hamburg an einer Blutvergiftung gestorben. Die Mutter bewirtschaftete den Hof alleine, auch Henny Tost arbeitete mit.

Im Dezember 1934 entschieden Richter Stölting und die Ärzte Bräuner und Vosgerau Henny Tosts Sterilisation. Sie hielten es für unwahrscheinlich, dass ihre geistige Beeinträchtigung durch einen Sturz aus dem Kinderwagen ausgelöst worden war und bewerteten sie als vererbbar. Während der Zwangssterilisation wurde Henny Tost mit Bakterien (Staphylokokken) infiziert, die zum Tod führten. Sie habe eine Zyste gehabt, deren Entfernung im Zuge der Sterilisation zur Infektion geführt habe. Das Reichsgesundheitsamt ging der Sache nach, denn Sterbefälle sollten möglichst vermieden werden. Die politische Führung befürchtete, dass Zwangsmaßnahmen ansonsten von der Bevölkerung zunehmend abgelehnt würden.

Henny Tost wurde im Februar 1935 gegen ihren Willen operiert. Auch ihre Mutter lehnte die Sterilisation ab. Nach dem Tod ihrer Tochter forderte die Mutter eine Wiedergutmachung. Dabei ging es aber weniger um den Verlust eines Menschen, als um eine Entschädigung für die verlorene Arbeitskraft.

HENNY TOST

Henny Tost ist eine junge Frau.
Sie kommt aus Schneverdingen.
Ihr Vater ist schon tot.
Sie lebt bei ihrer Mutter und
hat 4 Geschwister.
Henny Tost hat eine geistige Behinderung.
Trotzdem arbeitet sie auf dem Bauernhof
von ihrer Mutter.

In der Nazi-Zeit will man Henny Tost
unfruchtbar machen.
Ihre Mutter sagt: Nein.
Dann gibt es eine Verhandlung vor Gericht.
Das Gericht sagt:
Henny Tost hat eine Behinderung.
Sie darf keine Kinder bekommen.
Darum wird Henny Tost gegen ihren Willen unfruchtbar gemacht.
Sie stirbt kurz nach der OP.
Sie wird krank durch die OP.

Ihre Mutter ist traurig.
Sie will Henny Tost wieder haben.
Denn sie braucht Henny als Arbeiterin
auf dem Bauernhof.
Aber Henny ist tot.
Darum will die Mutter Geld vom Staat haben.
Sie will mit dem Geld neue Arbeiter
auf dem Bauernhof bezahlen.