Das Bild zeigt Karl Reich sitzend auf einem Stuhl. Er sitzt vor einer großen hellen Wand. Er trägt einen dunklen Anzug mit Weste und hellem Hemd. Die Kette einer Taschenuhr ist sichtbar. Er hat kurze Haare und blickt mit leicht geöffnetem Mund Richtung Kamera. Seine Hände sind im Schoß gefaltet.

Karl Reich, um 1922.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 2004/066 Nr. 08339.

KARL REICH (1885 – 1960)

Karl Reich aus Hannover entstammte einer bürgerlichen Familie. Er war nahezu gehörlos und verließ die Schule ohne Abschluss. Er begann eine Buchbinderausbildung, lief jedoch fort. Ab dann schlug er sich durch und verarmte. 1912 ließ ihn seine Mutter in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg einweisen. Am 22. April 1941 erfolgte seine Verlegung nach Herborn. Am 21. Mai 1941 wurde er in die Tötungsanstalt Hadamar weiterverlegt, aber zurückgestellt. Über eineinhalb Jahre arbeitete er auf dem anstaltseigenen Bauernhof Schnepfenhausen und wurde an Silvester 1942 entlassen. Er starb am 12. April 1960 in Ilten.

KARL REICH

Das ist Karl Reich.
Er kommt aus Hannover.
Er kann nicht hören.
Er ist taub.
Darum schafft er die Schule nicht.

Er lernt Bücher machen.
Aber da gibt es Probleme.
Er läuft weg.
Er lebt auf der Straße.
Er hat nichts zu essen.
Und er hat kein Geld.

Seine Mutter bringt ihn in die Anstalt.
Nach Lüneburg.
Das ist im Jahr 1912.
Dort geht es ihm gut.
Bis 1941.

Karl Reich soll ermordet werden.
Er kommt in der Tötungs-Anstalt Hadamar an.
Aber er wird nicht ermordet.
Man braucht ihn für die Feld-Arbeit.
Er arbeitet auf einem Bauern-Hof.
Das macht er fast 2 Jahre.
Silvester 1942 wird er entlassen.

Die Denkschrift ist eng mit schwarzem dünnem Stift geschrieben. Seine Handschrift ist sehr gleichmäßig und nach rechts geneigt. Das Papier ist mittig gefaltet und gelocht.

Auszug aus der Denkschrift von Karl Reich vom 2.2.1922.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 2004/066 Nr. 08339.

Anlässlich seines zehnjährigen Aufenthaltes in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg verfasste Karl Reich 1922 eine Denkschrift. Darin beschreibt er seine Gedanken zum langjährigen Aufenthalt. Hierbei ließ er sich auch von Emil Kraepelin anregen, dessen Buch »Einführung in die Psychiatrie« er gelesen hatte.