Der Aufnahmebogen von Hermann Beekhuis ist gelblich verfärbt. Die Angaben in dem gedruckten Formular wurden mit Hand geschrieben. Die Schrift ist eng und schwer lesbar. Der Name ist sehr leserlich geschrieben.

Aufnahmebogen für Hermann Beekhuis, 25.6.1941.

Staatsarchiv Hamburg 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Nr. 86294.

HERMANN BEEKHUIS (1941 – 1941)

Hermann Beekhuis lebte nur wenige Monate. Er wurde am 18. März 1941 in Weener (Leer) geboren. Seine Eltern waren der Arbeiter Hinderikus und Hilke Beekhuis (geb. Behrends). Bei seiner Geburt war sein Vater als Soldat im Kriegseinsatz. Hermann wurde mit Fehlbildungen geboren. Er hatte unter anderem eine Lippen-Gaumen-Spalte. Deshalb wurde er vom Amtsarzt in Leer an den »Reichsausschuss« gemeldet. Hilke Beekhuis musste ihren Sohn in die »Kinderfachabteilung« im Kinderkrankenhaus Hamburg-Rothenburgsort einweisen. Er wurde als sogenanntes »Reichsausschusskind mit schwersten Missbildungen« am 25. Juni 1941 aufgenommen. Seine Fehlbildungen wurden fotografiert und seine Entwicklung aufgeschrieben.

HERMANN BEEKHUIS

Hermann Beekhuis ist ein Baby.
Er lebt nur wenige Wochen.
Er kommt aus Weener in der Nähe von Leer.
Sein Vater ist als Soldat im Krieg.
Seine Mutter und sein Vater sind nicht verheiratet.

Hermann hat eine Behinderung:
Er hat eine Lippen-Spalte.
Das heißt: Seine Lippe und sein Rachen sind kaputt.
Seine Zehen sehen auch anders aus.
Der Arzt meldet ihn beim Reichsausschuss.
Er kommt in die Kinder-Fachabteilung
vom Kinder-Krankenhaus Hamburg Rothenburgsort.

Das ist der Aufnahme-Bogen aus dem Krankenhaus vom 25. Juni 1941.

Die Krankengeschichte von Hermann Beekhuis ist leicht vergilbt. Das Papier ist auf der linken Seite eingerissen. Es ist handschriftlich mit dunkler Tinte beschrieben. Links stehen verschiedene Daten untereinander, rechts davon die dazugehörigen Einträge. Beim Eintrag vom 2. September sind die Worte »Vom Reichsausschuss Bescheid eingelaufen« rot unterstrichen.

Krankengeschichte von Hermann Beekhuis.

Staatsarchiv Hamburg 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Nr. 86294.

Wegen Bombenschäden wurde Hermann Beekhuis am 30. Juni 1941 vorübergehend in einem Heim untergebracht. Am 8. August kam er zurück in die »Kinderfachabteilung« Rothenburgsort. Drei Tage später wurde er wegen Platzmangels durch Bauarbeiten nach Wentorf verlegt. Von dort kehrte er am 2. September ein zweites Mal in die »Kinderfachabteilung« Rothenburgsort zurück. Da inzwischen vom »Reichsausschuss« eine Behandlungsermächtigung vorlag, wurde er am Folgetag von der Ärztin Helene Sonnemann ermordet.

Es ist ein schwarz-weißes Foto. Helene Sonnemann und Harriet Stoltenberg stehen vor einer weißen Tür mit eingesetzten Glasscheiben. Helene Sonnenberg trägt einen weißen Arztkittel und lacht. Ihre dunklen Haare sind wellig. Sie trägt eine Art geöffneten Umschlag unter dem Arm. Sie blickt nach rechts. Harriet Stoltenberg trägt eine Schwestern-Uniform mit einer weißen Haube. Sie hat sich bei Helene Sonnemann untergehakt und lächelt in ihre Richtung. Sie scheint gerade etwas Unterhaltsames gesagt zu haben.

Helene Sonnemann (links) mit der Oberschwester Harriet Stoltenberg vor dem Kinderkrankenhaus Hamburg-Rothenburgsort, vor September 1943.

Privatbesitz Margaretha Veth.

Nach seinem Tod wurde Hermanns Leiche geöffnet und sein Gehirn untersucht. Danach wurde das tote Kind ins Hafenkrankhaus überführt, um von dort aus bestattet zu werden.

Seine Sterbeurkunde mit dem falschen Todesdatum 4. September 1941 wurde erst zehn Tage später nach Aufforderung ausgestellt.

1943 brachte Helene Sonnemann aus dem zerbombten Hamburg etwa 300 Kinder, 70 Krankenschwestern und sechs Ärztinnen nach Celle. Sie erhielt dafür einen Orden, blieb in Celle und machte dort Karriere am Allgemeinen Krankenhaus. 1976 ging sie als Chefärztin der Kinderklinik und stellvertretende Ärztliche Direktorin des Allgemeinen Krankenhauses Celle in Rente. Bis zum Ende ihrer Berufstätigkeit leitete sie auch die Krankenpflegeschule und bildete Nachwuchs aus. Sie starb 1998, ohne für ihre Beteiligung an den Morden in der »Kinderfachabteilung« Rothenburgsort zur Rechenschaft gezogen worden zu sein.