Es ist ein schwarz-weiß Portrait. Das Fotoist leicht unscharf und hat Felcken. Else Wojanowski trägt ein helles Oberteil aus fleißendem Stoff. Ihre Haare sind sorgfältig zu Wasserwellen frisiert. Sie blickt ernst.

Else Wojanowski, vor 1934.

Es ist ein verschwommenes schwarz-weiß Foto. Erich und seine Großmutter stehen vor der Haustür eines Backsteinhauses. Sie trägt einen Kittel über einem dunklen Kleid. Erich ist auf ihrem Arm und trägt helle Kleidung mit einer Babyhaube. Beide blicken in Richtung Kamera.

Sophie Winkelmann mit Erich Wojanowski auf dem Arm, Estorf, um 1940.

Es ist ein schwarz-weiß Portraitfoto. Johann Wojanowski trägt militärische Uniform. Seine Haare sind streng gescheitelt. Er guckt direkt zur Kamera und grinst mit schelmischen Blick.

Johann Wojanowski, um 1941.

Privatbesitz Imke Wojanowski.

HANS WOJANOWSKI (1934 – 1941)

Hans Wojanowski stammte aus Estorf (Kreis Nienburg). Seine Eltern waren der Maschinist Johann und Else Wojanowski (geb. Winkelmann). Elses Eltern Sophie und Friedrich Winkelmann besaßen ein Haus mit einem großen Nutzgarten, das sie 1952 an ihre Tochter vererbten. Hans war der Älteste von insgesamt vier Kindern, die zwischen 1934 und 1947 geboren wurden. Von seinem Bruder Erich blieb ein Foto erhalten, auf dem er auf dem Arm seiner Großmutter Sophie zu sehen ist. Von Hans gibt es kein Bild.

Hans hatte eine Entwicklungsverzögerung. Das war in der Familie kein Geheimnis und im Dorf bekannt. Im Alter von fünf Jahren wurde er am 28. März 1939 in die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission aufgenommen. Seine Aufnahme stand in Zusammenhang mit der Geburt seines Bruders. Da seine Mutter wegen einer Thrombose bettlägerig geworden war, konnte sie sich nicht mehr um Hans kümmern. Ersatzweise sprang der Vater ein und musste dafür seine Arbeitsschichten in die Nacht verlegen. Das ging auf Dauer nicht gut. Die Einweisung von Hans erfolgte mit großer Dringlichkeit und ohne ein ärztliches Gutachten.

Hans wurde regelmäßig von seinem Vater besucht. Da Johann Wojanowski kein Auto besaß, bewältigte er die Strecke von ungefähr 70 Kilometern mit dem Fahrrad – eine vier- bis fünfstündige Anreise. Hans wurde in den Rotenburger Anstalten kaum gefördert. Er galt als nicht heilbar und schwer beeinträchtigt.

Nach zweieinhalb Jahren in den Rotenburger Anstalten wurde Hans am 9. Oktober 1941 als eines von insgesamt 138 Kindern in die Lüneburger »Kinderfachabteilung« verlegt. Die Familie wurde erst eine Woche später informiert und hatte keine Möglichkeit, dem zu widersprechen. Zwei Wochen nach seiner Verlegung erkundigte sich seine Mutter in einem Brief nach ihm. Sein Vater war zu diesem Zeitpunkt Soldat und in einer Kaserne in Kiel-Ellerbek stationiert. Er nahm die weite Anfahrt dennoch auf sich und besuchte seinen Sohn am 29. November 1941 in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg.

Einen Monat später, am 29. Dezember 1941, starb Hans Wojanowski. Als offizielle Todesursache wurde eine Lungentuberkulose angegeben. Tatsächlich wurde er ermordet. Er gehört zu den ersten Opfern der Lüneburger »Kinder-Euthanasie«.

Nach seinem Tod ließ die Familie seinen Leichnam überführen. Wenige Tage später erhielt sie die Rechnung für seine Anstaltsunterbringung. Da man mit dem »28. Dezember« zunächst das falsche Todesdatum zugrunde gelegt hatte, forderte die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg von den Eltern noch 2,64 Reichsmark für seinen letzten Lebenstag nach. Nach seinem Tod wurde in der Familie kaum noch über Hans gesprochen, vergessen wurde er jedoch nie.

HANS WOJANOWSKI

Hans Wojanowski ist aus Estorf bei Nienburg.
Hans ist im Jahr 1934 geboren.
Er hat 3 Geschwister.
Hans hat eine Behinderung.
Das wissen alle Menschen in Estorf.
Es ist kein Problem.

Im Jahr 1939 bekommt Hans noch einen Bruder.
Nach der Geburt wird die Mutter von Hans
schwer krank.
Sie kann sich nicht mehr um Hans kümmern.
Hans ist da schon 5 Jahre alt.
Er braucht viel Hilfe.
Am Tag kümmert sich der Vater um Hans.
Aber nachts muss der Vater arbeiten.
Der Vater kann kaum noch schlafen.
Er kann sich nicht lange gut um Hans kümmern.
Darum muss Hans in eine Anstalt.

Hans Wojanowski kommt in die Rotenburger Anstalt.
Sein Vater hat Sehnsucht nach Hans.
Er besucht Hans ganz oft.
Er kommt mit dem Fahrrad.
Der Weg dauert 4 bis 5 Stunden.
Aber das ist dem Vater egal.
Denn er will seinen Sohn sehen.

Am 9. Oktober 1941 wird Hans verlegt.
Er kommt in die Kinder-Fachabteilung nach Lüneburg.
Hans Eltern erfahren das erst eine Woche später.
Die Mutter schreibt sofort einen Brief.
Sie will wissen wie es Hans geht.
Der Vater von Hans ist Soldat.
Er ist in Kiel in einer Kaserne.
Das ist weit weg von Lüneburg.
Trotzdem fährt er von Kiel nach Lüneburg
um Hans zu besuchen.

Einen Monat nach dem Besuch vom Vater ist Hans tot.
Er wird ermordet.
Er ist ein Opfer vom Kinder-Mord in Lüneburg.

Die Eltern holen den toten Hans nach Hause.
Er wird in Estorf beerdigt.
Die Eltern bekommen eine Rechnung
von der Anstalt in Lüneburg.
Sie müssen für Hans Zeit in der Kinder-Fachabteilung bezahlen.
Sie wissen nicht,
dass sie damit den Mord an Hans bezahlen.
Die Familie redet nicht viel über Hans,
aber sie vergessen ihn nie.

Das ist ein Foto von Hans Mutter Else Wojanowski
aus dem Jahr 1934.

Das ist ein Foto von Hans Großmutter
aus dem Jahr 1940.
Sie hat Hans Bruder Erich auf dem Arm.

Das ist ein Foto von Hans Vater Johann
aus dem Jahr 1941.