WALDEMAR BORCHOLTE (1931 – 1942)

Waldemar Borcholte wurde in Hannover-Linden geboren. Seine Eltern waren der Arbeiter August Hermann Borcholte und Minna Borcholte (geb. Henzel). Er hatte einen eineinhalb Jahre älteren Bruder, der kurz nach Waldemars Geburt starb. Nach seinem ersten Geburtstag entschied der Kinderarzt, dass Waldemar »anstaltsbedürftig« sei. Bereits am nächsten Tag wurde Waldemar von seiner Mutter in die Heil- und Pflegeanstalt Hannover-Langenhagen gebracht. Sie war hochschwanger mit ihrem dritten Kind. Da Waldemar Kopfläuse hatte und sehr schmutzig war, ist davon auszugehen, dass seine Eltern überfordert waren.

Sechs Jahre später, am 19. März 1938, wurde Waldemar Borcholte in die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission verlegt. Während seines dreijährigen Aufenthaltes dort, erfolgten nur drei Einträge in seine Krankenakte. Dann wurde er in die »Kinderfachabteilung« Lüneburg verlegt. Er hatte bereits neun Anstaltsjahre hinter sich.

Waldemar Borcholte hatte fast sein gesamtes Leben in Anstalten verbracht, als er am 2. Februar 1942 im Alter von zehn Jahren ermordet wurde. Man machte sich nicht einmal die Mühe, die Eltern darüber zu informieren, dass es ihm schlecht ginge.

WALDEMAR BORCHOLTE

Waldemar Borcholte ist aus Hannover.
Er hat eine Behinderung.
Sein Vater ist Arbeiter und seine Mutter ist Hausfrau.
Er hat einen älteren Bruder.
Aber der Bruder stirbt
wenige Tage nach der Geburt von Waldemar.

Als Waldemar ein Jahr alt ist
wird seine Mutter wieder schwanger.
Seine Eltern kümmern sich nicht um Waldemar.
Waldemar hat Läuse und er ist immer dreckig.

Seine Mutter geht zu einem Kinder-Arzt.
Der Kinder-Arzt sagt:
Waldemar muss in eine Anstalt.
Er kommt in die Anstalt nach Hannover.
Dort bleibt Waldemar 6 Jahre.

Die Anordnung ist auf einem Zettel von einem Abreißblock geschrieben. Oben sind Name und Kontaktdaten des Arztes gedruckt. Darunter ist die Anordnung handschriftlich verfasst. Die Handschrift ist gleichmäßig und gerade.

Ärztliche Anordnung des Kinderarztes Dr. med. Frensdorff vom 27.6.1932.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 56/83 Nr. 209.

Es gibt keine Belege dafür, dass sich seine Familie in irgendeiner Weise für Waldemar interessiert hatte. Während seines zehnjährigen Aufenthaltes in verschiedenen Anstalten erkundigten sich die Eltern kein einziges Mal nach ihm. Höchstwahrscheinlich wurde Waldemar auch nie besucht. Ab seinem zweiten Lebensjahr wurde er einfach in den Anstalten vergessen.