HANS-GEORG WITT (1937 – 1946)

Hans-Georg Witt wurde in Velgen geboren und lebte zum Zeitpunkt seiner Aufnahme bei seinem alleinerziehenden Vater in Bohlsen (Uelzen). Zusammen mit seiner Schwester war Hans-Georg im August 1945 wegen Typhus-Verdacht ins St. Viti-Krankenhaus in Uelzen eingewiesen worden. Bei Hans-Georg bestätigte sich dieser Verdacht nicht. Da er aber als Folge einer Hirnhautentzündung eine geistige Beeinträchtigung hatte, überwies das Krankenhaus ihn in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Er wurde von einem Verwaltungsmitarbeiter des Uelzener Krankenhauses dorthin gebracht. Die Aufnahme erfolgte am 13. August 1945. Da war die NS-Zeit schon lange vorbei, aber die »Kinderfachabteilung« Lüneburg gab es noch unverändert.

Bei seiner Aufnahme wurde Hans-Georg sorgfältig untersucht und detailliert beschrieben. Die Einträge in der Krankenakte sind seitenlang. Er blieb selbstständig und fiel auf der Station nicht weiter auf. Er verstand alles, auch wenn er seit Beginn seiner Krankenhausaufenthalte nicht mehr sprach. Im September 1945 versuchte sein Vater, ihn nach Hause zu holen, entschied sich aber dann doch dagegen und nahm ihn nicht mit.

Ab Frühjahr 1946 baute Hans-Georg ab. Er lag nur noch im Bett und musste komplett versorgt werden. Ab Mai 1946 erhielt er Luminal, mit starken Nebenwirkungen.

Hans-Georg Witt überlebte die »Kinderfachabteilung« Lüneburg nicht. Er starb am 1. August 1946 in der »Kinderabteilung«, wie die Lüneburger Kinderstation nach Kriegsende genannt wurde. Die offizielle Todesursache lautete Nahrungsmangel. Er war verhungert.

HANS-GEORG WITT

Hans-Georg Witt kommt aus der Nähe von Uelzen.
Er lebt allein mit seinem Vater und seiner Schwester.
Es gibt keine Mutter.

Im August 1945 bringt der Vater seine Kinder
ins Krankenhaus.
Er denkt, sie haben eine Krankheit.
Im Krankenhaus sagt ein Arzt:
Hans-Georg ist nicht krank.
Aber er hat eine geistige Behinderung.
Er muss in die Kinder-Fachabteilung.

Er kommt in die Kinder-Fachabteilung nach Lüneburg.
Das ist am 13. August 1945.
Da ist die Nazi-Zeit schon vorbei.
Aber die Kinder-Fachabteilung gibt es noch.
Erst lange nach der Nazi-Zeit gibt es
keine Kinder-Fachabteilungen mehr.

Hans-Georg ist fit.
Er kann laufen.
Er kann alles allein machen.
Er versteht alles.
Aber er redet nicht mehr, seitdem er in der Anstalt ist.
Weil er dort nicht gut behandelt wird.
Im September 1945 will sein Vater ihn
aus der Anstalt holen.
Aber dann macht er es doch nicht.

Wenige Monate später geht es Hans-Georg schlecht.
Er liegt nur noch im Bett.
Er kann nichts mehr machen.
Er hat keine Kraft mehr.
Er bekommt das Medikament Luminal.
Davon wird er noch kränker.
Am 1. August 1946 stirbt Hans-Georg Witt.

Der Arzt sagt:
Hans-Georg ist verhungert.
Das ist auch Mord.