Das Familienfoto ist schwarz-weiß. Die Eltern stehen hinten. Sie halten die Kinder an der Hand. Christa steht links vor ihrer Mutter. Der Vater trägt eine grobe zweireihige Jacke. Die Mutter ein Kleid mit Muster und hellem Kragen. Die Kindern sind hell gekleidet. In der Mitte der Familie steht ein Schäferhund.

Die Eltern mit ihren Kindern Christa und Friedrich Jordan, Sommer 1936.

Das Foto ist sepia und leicht verschwommen. Christa steht vor ihrer Großmutter und wird von dieser an beiden Händen gehalten. Beide tragen dunkle langärmelige Kittelkleider. Und dunkle Strümpfe. Sie stehen im Schnee. Im Hintergrund sind landwirtschaftliche Gebäude zu erkennen.

Minna mit ihrer Enkelin Christa Jordan, Winter 1942.

Privatbesitz Margret Schulze.

CHRISTA JORDAN (1933 – 1942)

Christa Jordan war das erste Kind von Waldarbeiter Fritz und Anna Jordan (geb. Gades) aus Knesebeck bei Gifhorn. Neben der Waldarbeit führten sie einen Hof mit ein paar Kühen und Schweinen, einem Feld und großen Garten. Auch die Großmutter Minna Jordan lebte mit auf dem Hof. Christa hatte den drei Jahre jüngeren Bruder Friedrich und die sieben Jahre jüngere Schwester Margret. Christa war das Lieblingsenkelkind der Großmutter, die sich rührend um sie kümmerte.

Weil Christa die Schulpflicht nicht erfüllte, wurde der Vorsteher der Gemeinde aufmerksam und meldete sie an den »Reichsausschuss«. Am 11. Februar 1942 wurde sie in die »Kinderfachabteilung« Lüneburg aufgenommen. Die Eltern lehnten die Aufnahme in Lüneburg ab und bemühten sich vergeblich, Christa in den Bodelschwinghschen Anstalten Bethel bei Bielefeld unterzubringen. Sie kannten Bethel durch den Cousin von Fritz Jordan, der seine Tochter dort untergebracht hatte.

Die Eltern schrieben Briefe, schickten Sachen und Essen, damit es ihrer Tochter gut ginge und sie bei Kräften bliebe. Sie hatten die Hoffnung, dass Christa in Lüneburg gefördert werde. Doch der Arzt Willi Baumert enttäuschte die Eltern.

Christas Mutter Anna Jordan fuhr zweimal nach Lüneburg. Auch das konnte nicht verhindern, dass ihre Tochter ermordet wurde. Christa Jordan starb am 31. Mai 1942, nur drei Monate nach ihrer Einweisung.

Ihre Leiche wurde in einem verzinkten Sarg nach Knesebeck überführt. Den Hinweis »Nicht öffnen« ignorierte die Großmutter. Als sie ihre tote Enkelin sah, war sie sicher, dass ihr Tod gewaltsam herbeigeführt worden war. Sie machte ihrem Sohn Fritz schwere Vorwürfe, dass er Christa nicht nach Bethel gebracht hatte.

Wenige Monate später erkrankte Christas Bruder an einer Blinddarmentzündung. Der Hausarzt erkannte den Ernst der Lage nicht und schickte die Mutter und das todkranke Kind mit dem Zug zum Krankenhaus nach Braunschweig. Christas Bruder Friedrich starb. Kurz darauf starb auch ihre Großmutter.

Im Oktober 1946 verschwand Christas Vater Fritz Jordan. Monate später wurde seine Leiche auf einem Feld gefunden. Ob er gewaltsam starb oder am Tod seiner Kinder zerbrochen war und Selbstmord begangen hatte, ist unbekannt. Ab dann zog Anna ihre einzige verbliebene Tochter Margret alleine groß.

CHRISTA JORDAN

Christa Jordan kommt aus Knesebeck.
Ihr Vater ist Wald-Arbeiter.
Er heißt Fritz.
Ihre Mutter heißt Anna.
Christa hat 2 jüngere Geschwister:
Friedrich ist 3 Jahre jünger.
Margret ist 7 Jahre jünger.

Christa hat eine Behinderung und
geht nicht zur Schule.
Das fällt den Leuten im Ort auf.
Jemand meldet Christa an den Reichsausschuss.
Darum muss sie in die Kinder-Fachabteilung
nach Lüneburg.

Ihre Eltern wollen das nicht.
Sie sagen:
Christa soll in die Anstalt nach Bethel.
Da ist ein gutes Heim für Kinder mit Behinderungen.
Aber Christa kommt trotzdem in die Anstalt
nach Lüneburg.

Die Eltern schicken Christa Briefe, Sachen und Essen.
Sie besuchen Christa auch.
Aber das hilft nicht.
Christa wird ermordet,
weil sie nicht zur Schule gehen kann.
Der Arzt Willi Baumert sagt:
Christa muss sterben.
Er ermordet sie.
Sie stirbt 3 Monate nach ihrer Ankunft
in Lüneburg.

Die Eltern wollen Christa zu Hause begraben.
Die Großmutter macht den Sarg auf.

Sie ist sich sicher: Christa ist ermordet worden.
Christa war nur noch Haut und Knochen.
Seitdem weiß die Familie Bescheid.

Ein paar Monate später stirbt Christas Bruder
an einer Blinddarm-Entzündung.
Kurz danach stirbt auch Christas Großmutter.

Dann ist der Krieg vorbei.
Christas Vater kommt nach Hause.
Aber dann verschwindet er.
Viele Monate später
findet man den Vater tot in einem Feld.
Keiner weiß, was mit ihm passiert ist.

Von der Familie Jordan sind jetzt nur noch
Christas Mutter und Christas Schwester Margret übrig.
Alle anderen aus der Familie sind tot.

Auf diesem Foto ist Christa mit ihren Eltern und
ihrem Bruder Friedrich.
Das Foto ist aus dem Jahr 1936.

Auf dem anderen Foto ist Christa mit ihrer Großmutter.
Das Foto ist aus dem Jahr 1942.