
Aussage von Karola Bierwisch vom 12.11.1947.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3.
KAROLA BIERWISCH (GEB. KLEIM) (1908 – 1983)
Karola Bierwisch stammte aus Straßburg im Elsaß. Ihre Eltern waren der höhere Beamte Paul Kleim und Paula Laux. Infolge des Ersten Weltkrieges verließ die Familie das Elsaß und kam über Hamburg nach Lüneburg, wo der Vater das Amt eines Verwaltungsbeamten ausübte. Karola Kleim besuchte das Gymnasium und machte 1927 Abitur. Nach der Schule machte sie ein Praktikum beim Sozialamt der Stadt und dem Landkreis Lüneburg. 1929 nahm sie ein Rechtsstudium auf, musste es jedoch aufgeben, nachdem ihr Vater 1932 gestorben war. Ab dann reichte das Geld nicht mehr.
Obwohl die Familie ohne das volle Einkommen des Vaters auskommen musste, arbeitete Karola Kleim von 1933 bis 1934 unentgeltlich als Sekretärin für eine Anwaltskanzlei. 1934 erhielt sie eine Büro-Anstellung beim Reichsluftschutzbund. Zu Beginn befand sich das das Büro in Lüneburg, zog dann aber nach Uelzen.
Als das Büro aufgelöst wurde, arbeitete sie ab 1. Juli 1936 als Sekretärin in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Da war sie 27 Jahre alt. Bis 1939 bearbeitete sie die sogenannte »erbbiologische Abteilung«. Als der Büroleiter in den Kriegsdienst eingezogen wurde, wurde sie Chef-Sekretärin von Max Bräuner. Sie wurde zur Geheimhaltung verpflichtet und erfüllte alle Aufgaben pflichtbewusst.
Bei ihrer Befragung 1947 konnte sie genaue Angaben zum Krankenmord im Allgemeinen machen, wollte aber in Lüneburg nichts bemerkt haben. Sie gab auch zu, an den Leichenöffnungen beteiligt gewesen zu sein, jedoch nur aus wissenschaftlichem Interesse. Sie gab an, dass sie einmal die Absicht gehabt hätte, Medizin zu studieren. Ihre Tatbeteiligung wurde nie verfolgt. Im späteren Ermittlungsverfahren von 1962 bis 1966 wurde sie nicht mehr befragt.
Mit Willi Baumert und Max Bäumer war sie freundschaftlich verbunden und blieb ihnen auch in der Nachkriegszeit treu ergeben. Sie heiratete 1946 den aus Hamburg stammenden Kaufmann Heinrich Bierwisch. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor.
Karola Bierwisch starb am 17. Mai 1983 in Lüneburg.
KAROLA BIERWISCH (GEB. KLEIM)
Karola Kleim kommt aus Straßburg.
Nach dem Ersten Weltkrieg geht ihre Familie
nach Lüneburg.
Der Vater ist leitender Beamter bei der Stadt.
Karola macht Abitur und studiert.
Sie will Ärztin werden.
Sie studiert aber Rechts-Wissenschaften.
Dann stirbt ihr Vater und
sie hat kein Geld mehr für das Studium.
Sie muss arbeiten.
Sie arbeitet bei einem Anwalt
und in einem Amt für Luftschutz.
Dann wird das Amt aufgelöst.
Karola Kleim fängt eine Arbeit
in der Anstalt in Lüneburg an.
Sie ist Mitarbeiterin im Büro für Rassen-Pflege.
Dann geht der Büro-Leiter als Soldat in den Krieg.
Karola Kleim übernimmt seine Aufgabe.
Sie wird Chefin im Büro von Max Bräuner.
Die Ärzte Max Bräuner und Willi Baumert sind Freunde von Karola Kleim.
Sie hilft beim Kranken-Mord mit.
Sie kennt alle Geheimnisse.
Sie weiß über alles Bescheid.
Sie ist dabei, wenn die Leichen aufgeschnitten werden.
Sie arbeitet mit den Mördern zusammen.
Im Jahr 1947 befragt man sie
zu den Kranken-Morden.
Sie kann sich an vieles vom Kranken-Mord
genau erinnern.
Aber sie sagt:
Ich weiß nichts über die Kranken-Morde in Lüneburg.
Im gleichen Jahr heiratet Karola Kleim.
Sie heißt jetzt Karola Bierwisch.
Ihr Mann arbeitet auch in der Anstalt.
Sie wohnen beide noch lange Zeit dort.
Sie bekommen eine Tochter.
Karola Bierwisch stirbt im Jahr 1983.
Karola Bierwisch bekommt nie eine Strafe.
Lange Zeit weiß keiner von ihren Taten.