Brief von Karl Bock vom 6.2.1944.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 56/83 Nr. 206.

KURT BOCK (1929 – 1945)

Kurt Bock wurde in Sondershausen (Thüringen) geboren. Sein Vater war der Händler Karl Bock aus Osterode (Harz), seine Mutter Hedwig Bock, geb. Andre. Sie starb im Jahr 1936 als Kurt sieben Jahre alt war. Zum Zeitpunkt seiner Aufnahme in die »Kinderfachabteilung« Lüneburg lebte der Vater in Steina mit seiner neuen Partnerin Frieda Rojahn und deren Tochter Gisela.

In einem Gutachten des Amtsarztes vom 3. April 1941 heißt es, dass Kurt nach einem Jahr Rückstellung zwar zur Schule ging, jedoch »bildungsunfähig« sei, da er nur seinen Namen schreiben, bis zehn zählen könne und weitere Lernziele nicht erreiche. Auch dem Vater wurde eine geistige Beeinträchtigung zugeschrieben. Der Amtsarzt kam zu dem Schluss, dass bei Kurt ein »hochgradiger Schwachsinn« vorliege und beantragte seine Anstaltsunterbringung. Ende Januar 1942 lag noch keine Aufnahmezusage durch die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg vor, sodass das Landratsamt telefonisch nachfasste. Vier Tage später wurde Kurt aufgenommen.

Bereits wenige Tage später erkundigte sich der Vater nach seinem Sohn, richtete in einem Brief auch persönliche Worte an ihn, mit der Bitte, ihm diese vorzulesen und ein Foto von ihm zu schicken in seinem neuen Anzug, der mit im Päckchen war. Die Familie erkundigte sich regelmäßig, nahezu monatlich nach Kurt, auch die Großmutter mütterlicherseits schrieb.

Da Kurt Geschwüre an den Beinen hatte, musste er die ersten Wochen im Bett liegen. Doch sein Gesundheitszustand besserte sich. Damit er zur Schule gehen könne, wurde er am 16. April 1942 in die Einrichtung Eben-Ezer nach Lemgo verlegt. Dort gab es eine Hilfsschule. Von dort kehrte er am 27. Januar 1944 zurück. Wenige Tage später schrieb der Vater erneut in die Anstalt, diesmal in großer Sorge. Er wollte wissen, warum sein Sohn nach Lüneburg zurückverlegt worden sei. Die Antwort von Willi Baumert lautete:

»Ihr Sohn ist nach hier zurückverlegt, da er in Eben-Ezer als bildungsunfähig nicht mehr in der Schule zu fördern war.«

Auch die Großmutter nahm erneut Kontakt zur Anstalt auf. Regelmäßig wurden wieder Briefe und Päckchen mit Obst und Keksen geschickt. Der Vater bemühte sich zudem mehrfach darum, seinen Sohn nach Hause zu holen und beantragte Beurlaubungen zu Ostern, im Sommer und zu Weihnachten. Willi Baumert und Max Bräuner lehnten alle Urlaubsanträge ab.

Nachdem der Vater im November 1944 als Soldat in den Kriegsdienst eingezogen worden war, erkundigte sich seine Stiefmutter Frieda Rojahn nach Kurt. Ihr Hinweis, dass es vom Vater als Soldat lange keine Nachricht gegeben habe, wurde im Brief von Max Bräuner dick unterstrichen. Auch dass die Großmutter keinen Kontakt zum ehemaligen Schwiegersohn habe, trug Bräuner in die Krankengeschichte ein, dies wurde dann aber wieder gestrichen. Offenbar waren diese Hinweise für den weiteren Verlauf von Bedeutung.

In der Krankengeschichte von Kurt dokumentieren die Einträge ab dann bis zu seinem Tod nur noch sein elendes Sterben. Um den Mord zu verschleiern, bemühte sich Wilhelmine Wolf darum, die in einem Zuge geschriebenen Einträge in der Krankengeschichte auf verschiedene Tage zu verteilen. Die Tinte und die Schreibweise lassen jedoch erkennen, dass sie zeitgleich angefertigt wurden, vermutlich als Kurt Bock bereits tot war. Er starb am 20. März 1945 in Haus 24. Die offizielle Todesursache lautete »Rippenfellentzündung«. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wurde Kurt Bock im Alter von 15 Jahren mit einer Überdosis Luminal ermordet.

KURT BOCK

Kurt Bock kommt aus Thüringen.
Er ist 1929 geboren.
Seine Mutter stirbt.
Da ist er 7 Jahre alt.
Sein Vater hat eine neue Familie.
Kurt kommt in eine Anstalt.

Kurt geht zur Schule.
Der Amts-Arzt sagt:
Kurt ist nicht gut genug.
Er kann nur seinen Namen schreiben.
Er kann nicht Rechnen.

Darum muss er in die Kinder-Fach-Abteilung.
In die Anstalt nach Lüneburg.
Der Vater schreibt viele Briefe.
Die Gruß-Mutter auch.
Sie wollen wissen:
Wie geht es Kurt?

Dann wird der Vater Soldat.
Er kann nicht mehr schreiben.
Darum etnscheidet der Arzt:
Jetzt kann Kurt ermordet werden.

Das passiert.
Kurt Bock wird ermordet.
In Haus 24 in der Anstalt in Lüneburg.
Das ist am 20. März 1945.
Das ist kurz vor Kriegs-Ende.