Der Brief ist mit sauberer Handschrift geschrieben. Das Papier ist voll beschrieben. Das Papier ist vergilbt und an den Rändern abgegriffen.

Brief von Karl Thiele an die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission vom 29.5.1939.

Das Antwortschreiben ist mit der Schreibmaschine verfasst. Es ist eine halbe Seite lang. Handschriftlich sind der Name von Hanna Thiele und das Datum ihrer Rückkehr unterstrichen.

Brief des Wohlfahrtsamtes an die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission vom 20.6.1941.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 56/83 Nr. 435.

HANNA THIELE (1932 – 1944)

Hanna Thiele wurde am 16. November 1932 in Peine geboren. Ihr Vater war der Postzusteller Karl Thiele, ihre Mutter Erna Berta Elisabeth Thiele (geb. Lieke). Hanna hatte zwei ältere Geschwister (1930 und 1928 geboren) und ein jüngeres Halbgeschwister (1939 geboren) aus zweiter Ehe. Ihr Vater gab sie 1936 nach dem Verlust der Mutter in das Celler Waisenhaus. Von dort kam sie in die Nervenklinik Langenhagen. Sie gehört zu den wenigen Kindern, die länger als sechs Monate, tatsächlich über zwei Jahre in der »Kinderfachabteilung« überlebten, vermutlich weil sie sprechen und gehen konnte. Sie war 1938 aus Langenhagen in die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission gekommen. Von dort wurde sie am 9. Oktober 1941 nach Lüneburg verlegt und in Haus 25 aufgenommen. Während ihres gesamten Aufenthalts erhielt sie nur ein einziges Mal Besuch, da ihr Vater kein Geld für eine Fahrkarte hatte. Am 9. April 1943 kam ihr Vater nach Lüneburg, um nach ihr zu sehen. Sie starb am 26. Januar 1944 im Alter von elf Jahren. Ihre offizielle Todesursache lautete Lungenentzündung.

Dabei hätte in ihrem Fall die Chance bestanden, sie vor der Ermordung zu retten. Kurz vor ihrer Verlegung nach Lüneburg wurde sie zwecks versuchsweiser Entlassung für drei Monate nach Hause beurlaubt. Der Vater war neu verheiratet und wollte seine Familie wieder zusammenführen. Der Versuch scheiterte. Mit ihrer Rückkehr in die Anstalt im Juli 1941 auf Wunsch des Vaters, war ihr Schicksal besiegelt.

HANNA THIELE

Hanna Thiele kommt aus Peine.
Sie ist ein Kind.
Sie hat 3 Geschwister.
Ihr Vater ist Post-Bote.

Hanna Thiele hat eine Behinderung.
Sie kommt in ein besonderes Kranken-Haus.
Da ist sie viele Jahre.

Ihr Vater will sie nach Hause holen.
Da er eine neue Frau hat.
Sie kommt nach Hause.
Nach 4 Wochen soll sie wieder zurück.
In das besondere Kranken-Haus.

Darum kommt sie nach Lüneburg.
In die Kinder-Fach-Abteilung.
Da ist sie mehr als 2 Jahre.
In der ganzen Zeit kommt der Vater nur einmal zu Besuch.

Dann wird sie ermordet.
Hanna Thiele stirbt im Januar 1944.
Da ist sie schon 11 Jahre alt.

Das ist ein Brief von Karl Thiele.
Er schreibt:
Bitte entlasst Hanna Thiele nach Hause.
Ich will mich um sie kümmern.
Ich will es probieren.

Das ist ein Brief vom Sozial-Amt.
Darin steht:

Hanna Thiele, um 1938.

NLA Hannover Hann. 155 Lüneburg Acc. 56/83 Nr. 435.

Das Bild in der Krankenakte von Hanna Thiele wurde als Titelbild der ersten Dauerausstellung ausgewählt. Für die Besucher*innen blieb Hanna Thiele unbekannt, da zu dem Bild ohne Namen keinerlei persönliche Informationen angegeben worden waren.