NFC zu N-P-01
ERMITTELN UND BEWERTEN
Im Juli 1945 begann die politische Überprüfung der an den Lüneburger Verbrechen Beteiligten. Am Ende wurden alle höchstens als »Mitläufer« eingestuft. Es gab keine Nachteile und keine Strafen. Hans Rohlfing, der Leiter des Gesundheitsamtes, wurde als »unbeteiligt« eingestuft, weil das »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« noch galt. Auch Gustav Marx wurde als vollständig »entlastet« freigesprochen.
ERMITTELN UND BEWERTEN
Im Juli 1945 überprüft man alle Ärzte und Pfleger aus der Anstalt in Lüneburg.
Man prüft, ob sie Nazis sind oder nicht.
Alle Ärzte und Pfleger aus Lüneburg machen mit
bei den Nazi-Verbrechen.
Zum Beispiel bei der Zwangs-Sterilisation.
Aber das Ergebnis von der Prüfung ist:
Keiner war ein Nazi.
Keiner hat mitgemacht.
Darum bekommt keiner eine Strafe.
Der Leiter vom Gesundheits-Amt Hans Rohlfing und Gustav Marx bekommen auch keine Strafe.
Heute wissen wir:
Die beiden machen mit beim Kranken-Mord
in der Nazi-Zeit.

Auszug aus dem Fragebogen der britischen Militärregierung zur Entnazifizierung von Max Bräuner.
NLA Hannover Nds. 171 Lüneburg Nr. 29889.
Carola Kleim füllte den Fragebogen der britischen Militärregierung für die politische Überprüfung von Max Bräuner aus. Die Sonderzuwendungen für seine Beteiligung am Krankenmord unterschlug sie. Seine Arbeit als Beisitzer für das Erbgesundheitsgericht blieb ebenfalls unerwähnt. Seine Aufgaben für das Rassenpolitische Amt wurden verharmlost.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmen englische Soldaten in Lüneburg.
Sie wollen wissen:
• Wer ist ein Nazi und wer nicht?
• Was haben die Personen
in der Nazi-Zeit gemacht?
Darum haben die Engländer
einen Fragebogen gemacht.
Viele Deutsche müssen den Fragebogen ausfüllen.
Das ist der Fragebogen von Max Bräuner.
Seine Mitarbeiterin Carola Kleim füllt
den Fragebogen für ihn aus.
Sie lässt viele wichtige Infos über Max Bräuner weg.
Zum Beispiel:
• seine Arbeit als Richter.
• seine Belohnung für den Kranken-Mord.
Carola Kleim schreibt auch:
Max Bräuner leitet das Rassen-Politische Amt.
Aber das hat er sehr wenig gemacht.
Carola Klein lügt.
Denn das stimmt nicht.
Am 24. August 1945 wurden Max Bräuner und Wilhelmine Wolf als einzige Beschäftigte aus ihrem Dienst in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg entlassen. Mitglieder der britischen Sicherheitspolizei machten sie für die katastrophalen Zustände auf den Stationen verantwortlich. Den Arzt Rudolf Redepenning hielten die Briten für unverdächtig und unbelastet. Er wurde der neue Ärztliche Direktor.
Im August 1945 kommt die englische Polizei
in die Anstalt nach Lüneburg.
Die englischen Polizisten sind geschockt,
wie schlecht es den Kranken hier geht.
Max Bräuner und Wilhelmine Wolf bekommen
sofort Arbeits-Verbot.
Die Engländer entlassen die beiden.
Aber die beiden sind die einzigen,
die aufhören müssen.
Alle anderen Ärzte und Pfleger arbeiten weiter.
Rudolf Redepenning macht die Aufgaben
von Max Bräuner.
Die Engländer denken:
Rudolf Redepenning ist kein Nazi.
Er hat bestimmt nicht mitgemacht.

Schreiben des Oberpräsidenten der Provinz Hannover (Georg Andreae) vom 24.8.1945.
NLA Hannover Nds. 300 Acc. 2005/128 Nr. 16.
RUDOLF REDEPENNING (1883 – 1967)

Lüneburger Post vom 28.12.1945.
ArEGL.

Rudolf Redepenning, um 1955.
ArEGL 151.
Kurz vor Jahresende 1945 wurde Rudolf Redepenning Nachfolger von Max Bräuner als Ärztlicher Direktor. Mit seiner Ernennung sollte eine neue Zeit in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg beginnen. Da er während der NS-Zeit sein leitendes Amt verloren hatte und Angehöriger eines Opfers der »Aktion T4« war, wirkte sein anfängliches Engagement für die Neuausrichtung der Psychiatrie und die Aufklärung der Lüneburger Medizinverbrechen glaubwürdig.
RUDOLF REDEPENNING
Rudolf Redepenning wird Nachfolger
von Max Bräuner.
Er wird im Dezember 1945 ärztlicher Direktor
von der Anstalt in Lüneburg.
Die Engländer denken:
Rudolf Redepenning ist Gegner von den Nazis.
Denn er hat in Göttingen seine Arbeit
beim Amt verloren.
Die Nazis haben ihm gekündigt.
Die Engländer denken auch:
Rudolf Redepenning ist ein Opfer von den Nazis.
Denn die Nazis haben den Bruder von seiner Frau
bei der Aktion T4 ermordet.
Rudolf Redepenning hilft dabei
den Kranken-Mord in Lüneburg aufzuklären.
Rudolf Redepenning will die Anstalt verbessern.
Die Engländer glauben Rudolf Redepenning.

Brief von Rudolf Redepenning an das Landgericht Frankfurt am Main vom 26.10.1962.
ArEGL.
Niemand zog in Betracht, dass sich Rudolf Redepenning an den Verbrechen mitschuldig gemacht haben könnte und sich vor allem deshalb nicht am zweiten Ermittlungsverfahren beteiligte. Er schob Gedächtnislücken und Erkrankungen vor.
Alle denken:
Rudolf Redepenning hat nicht mitgemacht
bei den Nazi-Verbrechen.
Aber das stimmt nicht.
Er hat mitgemacht bei Zwangs-Sterilisationen und beim Kranken-Mord
Darum macht er bei der Prüfung vom Staatsanwalt nicht gut mit.
Er sagt,
• er kann sich an viele Dinge nicht erinnern.
• er war krank.
Das steht in diesem Brief von Rudolf Redepenning an das Landesgericht aus dem Jahr 1962.
Aber es stimmt nicht, was in dem Brief steht.
Rudolf Redepenning will nicht,
dass die Wahrheit rauskommt.


Original-Schachtel für das Bundesverdienstkreuz am Bande mit Ernennungsurkunde, 1958. Eine vergleichbare Urkunde erhielt Rudolf Redepenning.
ArEGL 203.
Für seine Beteiligung am Wiederaufbau des Anstaltswesens erhielt Rudolf Redepenning im Dezember 1958 vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss das Bundesverdienstkreuz am Bande. Damals war nicht öffentlich bekannt, dass er an Medizinverbrechen und Krankenmorden beteiligt gewesen war. Rudolf Redepenning wurde diese Auszeichnung nie aberkannt.
Im Dezember 1958 bekommt Rudolf Redepenning einen Preis.
Der Preis ist für seine Arbeit in der Anstalt
nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Preis ist vom Bundespräsidenten
von Deutschland.
Es ist der wichtigste Preis in Deutschland.
Der Preis heißt: Bundesverdienst-Kreuz.
Das ist eine Schachtel für das Bundesverdienst-Kreuz und eine Urkunde.
Sie sind aus dem Jahr 1958.
Die Schachtel und die Urkunde sind nicht
von Rudolf Redepenning.
Sie sind von einer anderen Person.
Sie sind hier stellvertretend.
Die Schachtel ist leer.
Wir wollen damit zeigen:
Rudolf Redepenning hat den Preis nicht verdient.
Denn er hat mitgemacht beim Kranken-Mord
in der Nazi-Zeit.

Willi Baumert als Ärztlicher Direktor des Landeskrankenhauses Königslutter, etwa 1964.
NLA Hannover Nds. 300 Acc. 2005/128 Nr. 4.
Viele an den Verbrechen Beteiligte arbeiteten nach kurzer Unterbrechung in der Nachkriegszeit weiter. Margret Dehlinger kehrte 1949 als Oberärztin an das Städtische Krankenhaus Lüneburg zurück. Hans Rohlfing blieb bis zu seinem Ruhestand im Gesundheitsamt. Als Gefängnisarzt für das Landgericht und als Vertrauensarzt für die Krankenversicherungen genoss er hohes Ansehen. Willi Baumert machte als ehemaliger Leiter der »Kinderfachbateilung« im Landeskrankenhaus Königslutter erfolgreich Karriere. 1958 wurde er dort Ärztlicher Direktor.
Nach der Nazi-Zeit geht vieles so weiter wie vorher.
Die Mörder arbeiten weiter.
Die Ärzte arbeiten weiter als Ärzte.
Und Pfleger bleiben Pfleger.
Einige Ärzte und Pfleger sind auch nach
der Nazi-Zeit sehr erfolgreich:
• Margret Dehlinger wird Oberärztin.
• Hans Rohlfing bleibt Amtsarzt, Gefängnis-Arzt
und Vertrauens-Arzt für Kranken-Kassen.
• Willi Baumert wird Ärztlicher Direktor
von der Anstalt in Königslutter.
In frühen Nachkriegsprozessen gegen Verantwortliche des Krankenmordes bewerteten Gerichte die Taten als Mord und verhängten harte Strafen, auch Todesurteile. So erging es auch den Beteiligten an den Morden im Städtischen Krankenhaus Lüneburg 1945/1946.
Ab dem Jahr 1945 gibt es Gerichts-Prozesse
in Lüneburg.
Die Prozesse sind gegen Ärzte und Pfleger
vom normalen Krankenhaus.
Die Richter sagen:
Viele Ärzte und Pfleger haben mitgemacht
beim Kranken-Mord.
Es gibt sehr hohe Strafen für die Ärzte und Pfleger. Am Anfang gibt es auch die Todes-Strafe.

Vernehmungsprotokoll von Günter Schulz vom 17.10.1945.
Arhiv Jugoslavije Beograd Inv. Nr. 13093.
Ärztinnen und Pflegekräfte wurden von der britischen Militärpolizei zu den Morden an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern befragt, die ab 1943 im Städtischen Krankenhaus Lüneburg verübt worden waren. Es lagen mehrere Zeugenaussagen vor. Der Arzt Günter Schulz wurde danach nach Belgrad ausgeliefert und saß dort in Haft. Er machte eine Aussage.
In der Nazi-Zeit hat man Zwangs-Arbeiter
im normalen Krankenhaus in Lüneburg ermordet.
Nach der Nazi-Zeit untersuchen die Engländer
diese Morde.
Sie befragen Ärzte und Pfleger:
• Was habt ihr gesehen?
• Welche Verbrechen sind passiert?
Das ist ein Protokoll von einer Befragung
im Oktober 1945.
Darin steht, was der Arzt Günter Schulz den Engländern erzählt hat.
Er sagt:
Ausländische Kranke wurden ermordet.
Mit einer Spritze.
Er sagte der Pflegerin: Mach das.
Sie gab dann die Spritze.
Danach starben die Kranken.
Im Oktober 1946 fand im Gefängnis in Belgrad eine zweite Befragung von Günter Schulz statt. Dort kam es vor dem Militärgericht zu einem Prozess. Es gelang den Angeklagten Helmut Bock, Günter Schulz und Margarete Dethlefsen nicht, den mittlerweile verstorbenen Ärztlichen Direktor Adolf Wilke allein für den Mord verantwortlich zu machen.
Im Oktober 1946 gibt es noch eine Befragung.
Die Befragung ist vor Gericht.
Diese Ärzte und Pfleger müssen vor Gericht:
• Die Pflegerin Margarete Dethlefsen
• der Arzt Helmut Bock.
• der Arzt Günter Schulz.
• der Chef-Arzt Adolf Wilke.
Das ist ein Protokoll von der Befragung vor Gericht.
In dem Protokoll steht,
was der Arzt Günter Schulz gesagt hat.

Auszug aus dem Vernehmungsprotokoll von Günter Schulz vom 31.10.1946.
Arhiv Jugoslavije Beograd Inv. Nr. 13093.

Lüneburger Landeszeitung vom 22.11.1946, S. 3.
StadtALg, 8.2-LLA-B, 276.
Die Pflegerin Margarete Dethlefsen gestand die Taten und belastete die Ärzte schwer. Die Gabe einer Überdosis Morphium mit Todesfolge wurde von der »War Crime Commission« der Vereinten Nationen als Kriegsverbrechen bewertet. Rechtliche Grundlage waren die Haager Landkriegsordnung (1907) und das Kontrollratsgesetz Nr. 10 (1945). Helmut Bock, Günter Schulz und Margarete Dethlefsen wurden daraufhin am 5. November 1946 zum Tod verurteilt. Das Urteil wurde elf Tage später vollstreckt.
Die Pflegerin Margarete Dethlefsen sagt
vor Gericht:
Ich habe Kranke ermordet.
Ich habe den Kranken
zu viel Schmerz-Mittel gegeben.
Die Ärzte haben mir die Anweisung gegeben.
Diese Ärzte sind:
• Günter Schulz
• Helmut Bock
• Adolf Wilke
Das Gericht glaubt Margarete Dethlefsen.
Margarete Dethlefsen und die 3 Ärzte bekommen die Todes-Strafe.
Sie werden am 5. November 1946
in Belgrad hingerichtet.
Das steht in diesem Bericht
in der Lüneburger Landeszeitung.
Da sind Margarete Dethlefsen und
die 3 Ärzte schon tot.

Vernehmungsprotokoll von Günter Schulz vom 17.10.1945.
Arhiv Jugoslavije Beograd Inv. Nr. 13093.
Bei den Ermittlungen zum Mord an Erkrankten ausländischer Herkunft konnten 34 Personen namentlich benannt werden, die im Städtischen Krankenhaus Lüneburg ermordet worden waren:
JUGOSLAWIEN
Babic, Blagoje
Ubinovel [ohne Namensprüfung]
Babic, Gjuro Petrov
Sudar, Bogdan
Milivojac, Stojan
Vidovic, Milan
Cikic, Dragilin
Cicic, Uros
Lokvić/Lokušević, Duran [ohne Namensprüfung]
RUSSEN
Zurk, Sven [ohne Namensprüfung]
Senkowetz, Johann
Milevan, Beljrus [ohne Namensprüfung]
Vojšenko, Frosja [ohne Namensprüfung]
Jannjuk, Fedor
Kula, Valdemar [ohne Namensprüfung]
Kolb, Theodor
Kudin, Peter
Teslenko, Kusima
Onitschuk, Wasily
Bodnar, Wasyl
Preytschenko, Michail
Varonska, Hana [ohne Namensprüfung]
Tschuba, Wasyli
Matuck, Maria
Kutscher, Iwan
Antein, Kosta [ohne Namensprüfung]
Ehušnjivik, Marija [ohne Namensprüfung]
Belons, Wassily
POLEN
Bialy, Wladyslaw
Premas, Helene
Tabat, Valentin
Sakubek, Sabina
TSCHECHIEN
Domeika, Elena
BELGIEN
Baert, Frans Hilaire
In der Nazi-Zeit wurden Zwangs-Arbeiter
in Lüneburg ermordet.
Sie wurden im normalen Krankenhaus ermordet.
Nach der Nazi-Zeit untersucht die englische Polizei die Morde.
Sie befragt Ärzte und Pfleger
vom normalen Krankenhaus.
Man findet die Namen
von 34 ermordeten Zwangs-Arbeitern raus:
Blagoje Babic
Ubinovel
Gjuro Petrov Babic
Bogdan Sudar
Stojan Milivojac
Milan Vidovic
Dragilin Cikic
Uros Cicic
Duran Lokvić/Lokušević
Sven Zurk
Johann Senkowetz
Beljrus Milevan
Frosja Vojšenko
Fedor Jannjuk
Valdemar Kula
Theodor Kolb
Peter Kudin
Kusima Teslenko
Wasily Onitschuk
Wasyl Bodnar
Michail Preytschenko
Hana Varonska
Wasily Tschuba
Maria Matuck
Iwan Kutscher
Kosta Antein
Marija Ehušnjivik
Wassily Belons
Wladyslaw Bialy
Helene Premas
Valentin Tabat
Sabina Sakubek
Elena Domeika
Frans Hilaire Baert
Zu den Verbrechen in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg gab es ab 1947 erste Voruntersuchungen. Inzwischen hatte sich die Rechtsauffassung geändert. Täterinnen und Tätern wurde zugestanden, nicht gewusst zu haben, dass ihre Taten verboten waren. Ab 1948 erhielten sie deshalb mildere Strafen.
Die Verbrechen in Lüneburg werden untersucht.
Im Jahr 1947.
Das ist 2 Jahre nach Kriegs-Ende.
Inzwischen denken die Menschen:
Die Verbrechen waren doch gar nicht so schlimm.
Darum bekommen die Täter keine schwere Strafe.
Viele bekommen gar keine Strafe mehr.

Verfügung der Oberstaatsanwaltschaft Hannover an die Kriminalpolizei Lübeck vom 22.5.1948.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3.
Bereits im Oktober 1945 erstattete Rechtsanwalt Hans Bolenius Anzeige gegen Max Bräuner und Willi Baumert. Bolenius verdächtigte beide, in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg Kinder ermordet zu haben. So auch Ulf Quadfasel, den Sohn seiner Ehefrau Margret. Erst 1948 wurde die staatsanwaltschaftliche Ermittlung aufgenommen.
Hans Bolenius ist Anwalt.
Er hat einen Stiefsohn.
Der Stiefsohn heißt Ulf Quadfasel.
Im Jahr 1945 sagt Hans Bolenius:
Die Ärzte in der Anstalt in Lüneburg haben
Ulf ermordet.
Darum macht Hans Bolenius eine Anzeige
gegen Max Bräuner und Willi Baumert.
Aber keiner glaubt Hans Bolenius.
Es passiert lange Zeit nichts.
Erst im Jahr 1947 untersucht man
die Morde in der Anstalt.
Aber die Strafen für die Mörder sind jetzt anders.
Die Strafen sind nicht mehr hoch.
Oft gibt es keine Strafen mehr für die Mörder.
1952 wurde Hans Heinze (ehemaliger Gutachter beim »Reichsausschuss«) vorzeitig aus dem Straflager entlassen und ging nach Westdeutschland. 1953 wurde er wieder im Staatsdienst eingestellt. Ein Jahr später wurde er Leiter der neu eröffneten Kinder- und Jugendpsychiatrie Wunstorf. Im Oktober 1960 ging er vorzeitig in Pension. Aufgrund eines Ermittlungsverfahrens wegen Mordes wurde die Auszahlung seines Ruhegehaltes 1961 eingestellt. 1965 legte er ein Attest vor, das ihm bescheinigte, nicht in der Lage zu sein, »zu irgendwelchen Fragen verantwortlich Stellung zu nehmen und längere Unterredungen körperlich durchzuhalten.« Daraufhin wurden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt, obwohl seine Beteiligung an der »Kinder-Euthanasie« eindeutig bewiesen war.
Hans Heinze ist in der Nazi-Zeit der Chef
von der Kinder-Fachabteilung Görden.
Und er gehört zum Reichsausschuss.
Er ist verantwortlich für viele Morde an Kindern
in der Nazi-Zeit.
Nach der Nazi-Zeit ist Hans Heinze
in einem Straflager für Nazis.
Er kommt nach 6 Jahren frei.
Er geht nach Niedersachsen
und arbeitet wieder als Arzt.
Nach 2 Jahren ist Hans Heinze Chef von der Anstalt für Kinder und Jugendliche in Wunstorf.
Er leitet die Anstalt bis zum Jahr 1960.
Dann geht er in Rente.
Ein Jahr später gibt es eine Untersuchung
vom Staatsanwalt.
Man untersucht die Morde an Kindern
in der Nazi-Zeit.
Es gibt Beweise gegen Hans Heinze.
Denn er hat viele Kinder ermordet.
Aber Hans Heinze muss nicht vor Gericht.
Er sagt:
Ich bin zu krank.
Ich kann nicht vor Gericht.
Ich kann keine Fragen beantworten.
Das Gericht glaubt ihm.
Im Jahr 1966 ist die Untersuchung zu Ende.
Hans Heinze bekommt keine Strafe.
Das ist ein Foto von Hans Heinze
mit seinen Enkelkindern.
Das Foto ist aus dem Jahr 1965.
Im gleichen Jahr sagt Hans Heinze:
Ich kann nicht vor Gericht.
Ich bin zu krank.
Aber auf dem Foto sieht er nicht krank aus.
Vielleicht hat er gelogen.
Vielleicht war er nicht krank.

Das Familienfoto aus dem Jahr 1965 von Hans Heinze beim Spiel mit zwei Enkelkindern lässt den schlechten Gesundheitszustand nicht erkennen, der ihm in Gutachten bescheinigt worden war.
Privatbesitz Hilde Winkelmann | Arbeitskreis Stolpersteine Rehburg-Loccum.
Vernehmung von Marie-Luise Heusmann vom 3.11.1947.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3.
1947 wurden alle Beschäftigten zu den Vorkommnissen in Lüneburg befragt. Nahezu wortgleich antworteten sie, dass es in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg keinen Krankenmord gegeben habe. Die hohe Zahl an Todesfällen erklärten sie durch die schlechte Versorgungslage, später dann durch viele Bombenopfer aus Hamburg. Der Vergleich der Vernehmungsprotokolle zeigt, dass die Aussagen abgesprochen waren. Die Ermittelnden ließen sich täuschen.
Im Jahr 1947 untersucht der Staatsanwalt
die Kranken-Morde.
Man befragt die Mitarbeiter von der Anstalt
in Lüneburg.
Man fragt die Mitarbeiter:
Gibt es in der Nazi-Zeit Verbrechen in der Anstalt?
Fast alle Mitarbeiter sagen: Nein.
Es gibt in der Nazi-Zeit keine Verbrechen
in der Anstalt.
Der Krieg ist schuld an den vielen Toten
in der Anstalt.
Die Antworten von den Mitarbeitern sind
fast alle gleich.
Die Mitarbeiter lügen.
Denn sie wollen keine Strafe bekommen.
ULF QUADFASEL (1940 – 1943)

Margret Quadfasel mit Karla Rust, Bremen, 27.8.1939.
Privatbesitz Karla Reinhart.
Ulf Quadfasel stammte aus Bremen. Seine Mutter war die Kaufmannstochter Margret Quadfasel. Über sie ist bekannt, dass sie im vornehmen Hillmann-Hotel in Bremen verkehrte. Dort traf sie Gäste aus der höheren Gesellschaft. Sie wurde mit Ulf schwanger, der am 15. Mai 1940 geboren wurde, sein Vater blieb unbekannt. Im November 1941 kam Ulfs jüngerer Bruder Peter zur Welt. Sein Vater war der Österreicher Karl Reininghaus, der seine Vaterschaft anerkannte. Anfang 1944 wurde Peter von Hans Bolenius adoptiert und erhielt dessen Nachnamen.
Mit zwei unehelichen Kindern und ihrer Arbeit im Hotel stand die Mutter im Ruf, ein »leichtes Mädchen« zu sein. Dass ihre beiden Söhne zeitweilig im Kinderheim Oberneuland untergebracht waren, wurde ihr als »Asozialität« ausgelegt. Als alleinerziehende, unverheiratete und unangepasste Frau entsprach sie nicht den Rollenvorstellungen und starren Verhaltensregeln der damaligen Zeit.
Im Kinderheim wurde Ulfs Entwicklungsverzögerung entdeckt, daraufhin durfte er nicht bleiben. Das Heim gab ihn ins Krankenhaus Bremen und er wurde gemeldet. Schwester Antje vom Bremer Gesundheitsamt beantragte seine Aufnahme in die »Kinderfachabteilung«.
Nur eine Woche später wurde Ulf Quadfasel am 16. November 1943 in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg aufgenommen. Fünf Wochen später heirateten seine Mutter und der Rechtsanwalt Hans Bolenius an Heiligabend 1943. Kurz danach wurde Ulf im Alter von dreieinhalb Jahren in der »Kinderfachabteilung« Lüneburg ermordet.
Für seine Mutter war der plötzliche Tod ihres Sohnes ein Schock. Bereits wenige Tage später hinterfragte Hans Bolenius die offizielle Todesursache und richtete hartnäckige Fragen an den Ärztlichen Direktor Max Bräuner.
Nach Kriegsende bemühte sich Hans Bolenius weiterhin um Aufklärung der Todesumstände seines Stiefsohnes. Als einziger Angehöriger eines Opfers der »Kinder-Euthanasie« stellte er Strafanzeige bei der Lübecker Polizei und trug damit entscheidend dazu bei, dass Ermittlungen zur »Kinder-Euthanasie« aufgenommen wurden.
ULF QUADFASEL
Ulf Quadfasel ist im Jahr 1940 geboren.
Er kommt aus Bremen.
Seine Mutter arbeitet in einem Hotel.
Sie trifft sich mit vielen Männern.
Sie wird 2-mal schwanger
von verschiedenen Männern.
Das finden viele nicht gut in der Nazi-Zeit.
Die Nazis sagen:
Frauen müssen verheiratet sein,
wenn sie Kinder bekommen
Und Frauen dürfen nur mit einem Mann Sex haben.
Die Menschen reden schlecht über Ulfs Mutter.
Ulf Quadfasel kommt in ein Kinderheim in Bremen.
Das Kinderheim stellt fest:
Ulf hat eine geistige Behinderung.
Darum darf er nicht im Kinderheim bleiben.
Er kommt in ein Krankenhaus in Bremen.
Das Krankenhaus meldet Ulf bei den Nazis,
weil er eine Behinderung hat.
Darum muss Ulf in eine Kinder-Fachabteilung.
Im November 1943 kommt Ulf
in die Anstalt nach Lüneburg.
5 Wochen später heiratet Ulfs Mutter
de
n Anwalt Hans Bolenius.
Wenige Tage nach der Hochzeit
wird Ulf Quadfasel ermordet.
Er ist erst 3 Jahre alt.
Das ist ein Schock für seine Mutter.
Als Anwalt will Hans Bolenius wissen:
Was ist passiert?
Warum ist Ulf plötzlich tot?
Er fragt bei dem Arzt Max Bräuner nach.
Aber Hans Bolenius bekommt keine Antwort.
Dann ist die Nazi-Zeit vorbei.
Hans Bolenius fragt weiter nach,
was mit Ulf passiert ist.
Hans Bolenius ist sicher:
Ulf Quadfasel ist ein Opfer vom Kranken-Mord.
Hans Bolenius geht zur Polizei nach Lübeck.
Dort macht er eine Anzeige wegen dem Mord
an Ulf Quadfasel.
Das ist die einzige Anzeige von einer Familie
wegen Mord an einem Kind in der Nazi-Zeit.
Diese Anzeige ist sehr wichtig.
Danach macht die Polizei mehr Untersuchungen
zu den Morden an Kindern in der Nazi-Zeit.
Das ist ein Foto von der Mutter von Ulf Quadfasel.
Sie ist mit Ulfs Cousine auf dem Foto.
Das Foto ist aus dem Jahr 1939.

Brief der Oberstaatsanwaltschaft Hannover an die Ärzte Berger und Gerson vom 31.5.1948.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3.

Auszug aus dem ärztlichen Gutachten von Berger an die Oberstaatsanwaltschaft Hannover vom 1.7.1948.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3.
Zur Überprüfung des Anfangsverdachts wurden am 31. Mai 1948 zwei Ärzte aus den Heil- und Pflegeanstalten Göttingen und Wunstorf beauftragt, die Todesursachen von 20 Kindern anhand der Einträge in den Krankenakten zu überprüfen. Sie kamen zu folgendem Ergebnis: Es kann nicht nachgewiesen werden, dass der Tod gewaltsam herbeigeführt worden ist. Daraufhin wurden die Ermittlungen 1949 eingestellt.
Im Jahr 1948 überprüft man die Anstalt in Lüneburg.
2 Ärzte aus den Anstalten in Göttingen und Wunstorf machen die Prüfung.
Sie lesen 20 Kranken-Akten aus der Anstalt
in Lüneburg.
Sie prüfen:
• Wie hat man die Kinder behandelt?
• Gibt es Zeichen für Gewalt gegen Kinder?
• Gibt es Zeichen für einen Mord an Kindern?
Die 2 Ärzte finden keinen Beweis für die Morde
in den Kranken-Akten.
In keiner Kranken-Akte steht:
Das Kind wurde ermordet.
Es gibt keine Beweise für den Kranken-Mord
an Kindern.
Darum hört man im Jahr 1949 mit der Prüfung auf.
Zur Überprüfung des Anfangsverdachts wurden am 31. Mai 1948 zwei Ärzte aus den Heil- und Pflegeanstalten Göttingen und Wunstorf beauftragt, die Todesursachen von 20 Kindern anhand der Einträge in den Krankenakten zu überprüfen. Sie kamen zu folgendem Ergebnis: Es kann nicht nachgewiesen werden, dass der Tod gewaltsam herbeigeführt worden ist. Daraufhin wurden die Ermittlungen 1949 eingestellt.
Im Jahr 1948 überprüft man die Anstalt in Lüneburg.
2 Ärzte aus den Anstalten in Göttingen und Wunstorf machen die Prüfung.
Sie lesen 20 Kranken-Akten aus der Anstalt
in Lüneburg.
Sie prüfen:
• Wie hat man die Kinder behandelt?
• Gibt es Zeichen für Gewalt gegen Kinder?
• Gibt es Zeichen für einen Mord an Kindern?
Die 2 Ärzte finden keinen Beweis für die Morde
in den Kranken-Akten.
In keiner Kranken-Akte steht:
Das Kind wurde ermordet.
Es gibt keine Beweise für den Kranken-Mord
an Kindern.
Darum hört man im Jahr 1949 mit der Prüfung auf.

Brief der Oberstaatsanwaltschaft Hannover an die Ärzte Berger und Gerson vom 31.5.1948.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3.

Auszug aus dem ärztlichen Gutachten von Berger an die Oberstaatsanwaltschaft Hannover vom 1.7.1948.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3.
»Ich komme zu dem Schluss, dass aus den 20 mir übersandten Krankengeschichten der in Lüneburg verstorbenen Kinder nicht geschlossen werden kann, dass der Tod der Kinder durch Einwirkung von außen herbeigeführt oder beschleunigt wurde.«
Die 2 Ärzte sagen:
In den Kranken-Akten von den Kindern ist
nichts auffällig.
Mord ist nicht wahrscheinlich.

MTV-Halle, Lindenstraße 30 in Lüneburg, etwa 1965.
Privatbesitz Beckmann | ArGW.

Karl Brandt (stehend) bei der Urteilsverkündung zum Abschluss des Nürnberger Ärzteprozesses, 20. August 1947.
Kopie ArEGL.
Während der ersten Untersuchungen zu den Lüneburger Krankenmorden fand in Lüneburg von September bis November 1945 der Bergen-Belsen-Prozess statt. Außerdem wurden von Oktober 1945 bis April 1949 weitere 13 »Nürnberger Prozesse« geführt. Nur einer dieser Prozesse bezog sich auf den Krankenmord im Deutschen Reich. Der Mord in »Kinderfachabteilungen« und an Erkrankten ausländischer Herkunft spielte dabei eine untergeordnete Rolle. Im Zentrum stand die »Aktion T4«.
Nach der Nazi-Zeit gibt es in Lüneburg
einen Gerichts-Prozess.
Der Prozess ist gegen die Mörder
im KZ Bergen-Belsen.
Zur gleichen Zeit gibt es Untersuchungen
zum Kranken-Mord in der Anstalt in Lüneburg.
Aber für den Kranken-Mord interessiert sich keiner.
Es gibt 13 Gerichts-Prozesse wegen
dem Kranken-Mord.
Aber bei den Prozessen geht es nicht
• um den Mord in Kinder-Fachabteilungen.
• um den Mord an ausländischen Kranken.
BERGEN-BELSEN-PROZESS (17.9. – 17.11.1945)
Der erste Kriegsverbrecher-Prozess auf deutschem Boden wurde in der Turnhalle des Lüneburger MTV durchgeführt. Er stieß international auf großes Interesse. Im Mittelpunkt standen die Verbrechen im Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager Bergen-Belsen. Mitverhandelt wurden auch Taten im KZ Auschwitz-Birkenau. Damit neben den 45 Angeklagten auch rund 200 Journalisten und Prozessbeobachter Platz fanden, wurde die MTV-Halle umgebaut. Dieses Bild entstand wenige Tage vor Prozessbeginn.
BERGEN-BELSEN-PROZESS
In der Nazi-Zeit gibt es im KZ in Bergen-Belsen
viele Verbrechen.
Zum Beispiel: Mord.
Nach der Nazi-Zeit kommen die Täter
von den Verbrechen vor das Gericht in Lüneburg.
Es gibt einen Prozess gegen die Täter.
Man nennt das auch: Kriegsverbrecher-Prozess.
In Lüneburg gibt es den ersten Kriegsverbrecher-Prozess nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland.
Menschen aus der ganzen Welt wollen
beim Prozess dabei sein.
Zum Beispiel: Reporter.
Das Gericht in Lüneburg ist zu klein
für so viele Menschen.
Darum macht man den Prozess in einer Turnhalle.
Tischler bauen die Turnhalle extra um
für den Prozess.
Das sieht man auf diesem Foto.
Das andere Foto zeigt den Gerichts-Prozess.
Man sieht die Angeklagten vom Prozess.
Beide Fotos sind vom September 1945.

Tischlerarbeiten in der MTV-Turnhalle. Ein Tischler montiert die Sitze.
Fotograf Sgt. Wilkes.
IWM BU 10369.

45 Angeklagte im Bergen-Belsen-Prozess, 17.9.1945. Der ehemalige Lagerkommandant Josef Kramer, der mit der Nummer 1 gekennzeichnet ist, ist in der unteren linken vorderen Ecke zu sehen.
IWM HU 59545.
Zu den Krankenmorden in den Tötungsanstalten Brandenburg, Pirna-Sonnenstein, Hadamar und Pfafferode gab es ab Oktober 1945 jeweils vor Ort Ermittlungs- und Strafverfahren gegen die Tatbeteiligten. Viele Verfahren wurden eingestellt oder gingen straffrei bzw. mit milden Urteilen aus.
Nach der Nazi-Zeit untersucht man
den Kranken-Mord in den Tötungs-Anstalten
• Brandenburg,
• Pirna-Sonnenstein,
• Hadamar und
• Pfafferode.
Es gibt Gerichts-Verfahren gegen die Täter
vom Kranken-Mord.
Aber es gibt nur für wenige Täter Strafen.
Oft bekommen die Täter nur kleine Strafen.
STRAFVERFOLGUNG ZU BRANDENBURG
Die Morde, die in der »T4«-Tötungsanstalt Brandenburg begangen wurden, wurden in verschiedenen Prozessen verhandelt. Ermittlungen gegen den Ärztlichen Direktor Irmfried Eberl führten zu seiner Verhaftung am 30. Dezember 1947. Am 16. Februar 1948 beging er in Untersuchungshaft Selbstmord. Eberls Stellvertreter Heinrich Bunke kehrte nach Celle zurück und wurde Belegarzt in der Landesfrauenklinik und im Krankenhaus Celle. 1965 wurde Klage gegen ihn erhoben. Im Jahr darauf wurde er freigesprochen. 1970 kam es zur Wiederaufnahme. 1987 verurteilte ihn das Landgericht Frankfurt am Main wegen Beihilfe zum Mord in 11.000 Fällen zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe. Nach 18 Monaten wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen.
STRAFVERFOLGUNG ZU BRANDENBURG
Die Nazis haben viel Kranke
in der Tötungs-Anstalt Brandenburg ermordet.
Nach der Nazi-Zeit gibt es Gerichts-Verfahren
gegen die Täter.
Zum Beispiel: gegen den Arzt Irmfried Eberl.
Er wird verhaftet.
Im Jahr 1948 tötet er sich selbst.
Heinrich Bunke war der zweite Arzt
in der Tötungs-Anstalt Brandenburg.
Nach der Nazi-Zeit ist er Arzt
in der Landes-Frauenklinik Celle.
Im Jahr 1966 entscheidet das Gericht:
Heinrich Bunke hat nicht mitgemacht
beim Kranken-Mord in der Nazi-Zeit.
Er bekommt keine Strafe.
Im Jahr 1987 entscheidet ein Gericht neu:
Heinrich Bunke hat mitgemacht
bei 11 Tausend Morden.
Er bekommt eine Strafe.
Er soll für 4 Jahre ins Gefängnis.
Aber er kommt nach 1,5 Jahren wieder frei.
STRAFVERFOLGUNG ZU PIRNA-SONNENSTEIN

In der hinteren Reihe ganz rechts sitzt Paul Nitsche, stehend der Arzt Ernst Leonhardt, der seiner Hinrichtung durch Selbstmord entkam. Der Sechste von rechts ist der Krankenpfleger Gäbler, der am selben Tag wie Nitsche hingerichtet wurde.
BArch Bild 183-H26186.
Ab 16. Juni 1947 wurden am Landgericht Dresden in der Sowjetischen Besatzungszone insgesamt 15 Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern der Anstalten Großschweidnitz und Pirna-Sonnenstein wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Dazu zählten auch die Ärzte Paul Nitsche und Ernst Leonhardt sowie zwei Pfleger aus Pirna, Hermann Felfe und Erhard Gäbler. Am 7. Juli 1947 endete das Verfahren: Nitsche, Leonhardt, Felfe und Gäbler wurden zum Tod verurteilt. Andere Angeklagte erhielten teils langjährige Freiheitsstrafen. Eine Ärztin, ein Arzt und eine Krankenschwester wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Leonhardt und Felfe entzogen sich der Vollstreckung durch Selbsttötung. Nitsche und Gäbler wurden 1948 hingerichtet.
STRAFVERFOLGUNG IN PIRNA-SONNENSTEIN
Im Jahr 1947 gibt es Gerichts-Prozesse
gegen 15 Ärzte und Pfleger
• aus der Tötungs-Anstalt Pirna-Sonnenstein.
• aus der Tötungs-Anstalt Großschweidnitz.
2 Ärzte bekommen die Todes-Strafe:
Paul Nitsche und Ernst Leonhardt.
2 Pfleger bekommen die Todes-Strafe:
Hermann Felfe und Erhard Gäbler.
Ernst Leonhard und Hermann Felfe töten sich selbst.
Einige Ärzte und Pfleger müssen ins Gefängnis.
Eine Ärztin, ein Arzt und eine Krankenschwester bekommen keine Strafe.
Das ist ein Foto von dem Gerichts-Prozess.
Hinten rechts auf dem Foto ist der Arzt Paul Nitsche.
Er war der Chef von der Anstalt
Pirna-Sonnenstein.
STRAFVERFOLGUNG ZU HADAMAR

Vernehmung der Oberschwester Irmgard Huber, Hadamar, 4.5.1945. Fotograf Troy A. Peters, US Army.
USHMM, Nr. 73720.
Der Prozess gegen die Täterinnen der Tötungsanstalt Hadamar war der erste »Euthanasie«-Prozess in den westlichen Besatzungszonen. Die Beweisaufnahme durch das US-Militär begann im März 1945. Im Oktober 1945 erhob das US-Militärgericht in Wiesbaden Anklage. Im Mittelpunkt stand die Ermordung der Zwangsarbeiterinnen in der »Ausländersammelstelle«. Zwei Oberpfleger und ein Verwaltungsleiter wurden zum Tod verurteilt. Der verantwortliche Arzt, Adolf Wahlmann, eine Oberschwester, ein Verwaltungsmitarbeiter und ein Totengräber erhielten lebenslänglich. 1946 erhob das Landgericht Frankfurt am Main Anklage wegen Mordes in 900 Fällen gegen die Ärzte Adolf Wahlmann und Bodo Gorgaß sowie 23 weitere Beteiligte.
Die Ärzte erhielten 1947 eine Todesstrafe, die 1949 in lebenslänglich umgewandelt wurde. In den 1950er-Jahren wurden beide Ärzte aus der Haft entlassen, Gorgaß wurde 1958 durch den Hessischen Ministerpräsidenten und Justizminister Georg August Zinn begnadigt.
STRAFVERFOLGUNG ZU HADAMAR
Nach der Nazi-Zeit untersuchen amerikanische Soldaten den Kranken-Mord in Hadamar.
Im Oktober 1945 gibt es einen Gerichts-Prozess.
Es geht um den Mord an ausländischen Kranken
in Hadamar.
2 Pfleger und ein Büro-Leiter bekommen
die Todes-Strafe.
4 andere Mitarbeiter bekommen eine Haft-Strafe.
Sie müssen für 15 Jahre ins Gefängnis.
Im Jahr 1946 gibt es einen zweiten Gerichts-Prozess.
Dieser Prozess ist am Landgericht.
Der Prozess ist gegen 2 Ärzte, 23 Pfleger
und andere Mitarbeiter.
Die 2 Ärzte bekommen die Todes-Strafe.
Sie heißen: Adolf Wahlmann und Bodo Gorgaß.
Im Jahr 1949 ändert man das Gesetz in Deutschland.
Die Todes-Strafe gibt es jetzt nicht mehr.
Im Juli 1950 begann vor dem Landgericht Hannover ein Prozess gegen drei leitende Verwaltungsmitarbeiter der Provinz Hannover, die verantwortlich für die Heil- und Pflegeanstalten waren: Ludwig Geßner, Georg Andreae und Paul Fröhlich. Aufgrund ihrer Beteiligung an den Krankenmorden wurden sie wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit angeklagt.
Im Juli 1950 gibt es in Niedersachsen
einen Gerichts-Prozess.
Der Prozess ist gegen Mitarbeiter
vom Landessozialamt.
Diese Mitarbeiter sind in der Nazi-Zeit zuständig
für Anstalten.
Die Mitarbeiter heißen:
Ludwig Geßner, Georg Andreae und
Paul Fröhlich.
Der Prozess endet mit einem Freispruch.
Die 3 Mitarbeiter bekommen keine Strafe.

Zeitungsbericht »Beihilfe zur Tötung in 260 Fällen« in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 11.7.1950, S. 2.
ArEGL.
Das ist ein Zeitungs-Bericht vom 11. Juli 1950
über den Gerichts-Prozess.
Im Bericht steht:
Ludwig Geßner, Georg Andreae und Paul Fröhlich werden angeklagt.
Denn sie haben mitgemacht beim Mord
von 260 Kranken.
Nach 3 Wochen entscheidet das Gericht:
Geßner, Andreae und Fröhlich bekommen
keine Strafe.
Nur drei Wochen später endete der Prozess mit ihrem Freispruch. Er wurde mit der Persönlichkeit der Angeklagten und der damaligen »außergewöhnlichen Lage« begründet.
Das ist ein Zeitungs-Bericht vom 31. Juli 1950.
Im Bericht steht:
Der Richter sagt:
Ludwig Geßner, Georg Andreae und Paul Fröhlich haben nichts falsch gemacht.
Sie waren in einer besonderen Lage.
Darum bekommen sie keine Strafe.

Zeitungsbericht »Freisprüche im Euthanasie-Prozeß« in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 31.7.1950.
ArEGL.
»Sämtliche drei Angeklagte werden auf Kosten der Staatskasse freigesprochen!«
Dieser Satz steht in der Zeitung:
»Sämtliche drei Angeklagte werden auf Kosten der Staatskasse freigesprochen!«
Der Satz heißt:
Alle 3 Angeklagten sind frei.
Sie müssen kein Geld
für den Gerichts-Prozess bezahlen.
Das Geld bezahlt der Staat.
Beim Strafverfahren gegen Werner Heyde bezog die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main die Akten zu Willi Baumert ein. Beim Strafverfahren gegen Hans Hefelmann gestand Max Bräuner 1961 die Morde. Daraufhin wurden die Mordermittlungen gegen beide wieder aufgenommen. Weil sich die Pflegerin Dora Vollbrecht im Gerichtsverfahren gegen Georg Renno (»Kinderfachabteilung« Waldniel) ebenfalls belastete, wurde auch gegen sie eine Untersuchung eröffnet. Alle drei gaben schließlich zu, Kinder und Jugendliche in der »Kinderfachabteilung« Lüneburg ermordet zu haben.
Im Jahr 1947 gibt es einen Gerichts-Prozess
gegen den Arzt Werner Heyde
Das Gericht untersucht seine Arbeit in der Nazi-Zeit. Dabei findet das Gericht Akten von dem Arzt
Willi Baumert aus Lüneburg.
Im Jahr 1947 gibt es einen Gerichts-Prozess
gegen Hans Hefelmann.
Der Arzt Max Bräuner muss beim Prozess
Fragen beantworten.
Max Bräuner gibt bei dem Prozess zu:
Ich habe Kranke bei der Aktion T4 ermordet.
Und ich habe kranke Kinder
in der Kinder-Fachabteilung in Lüneburg ermordet.
Es gibt auch einen Gerichts-Prozess
gegen Georg Renno.
In der Nazi-Zeit ist er 2. Chef in der Tötungs-Anstalt Hartheim.
Und er leitet die Kinder-Fachabteilung Waldniel.
Die Pflegerin Dora Vollbrecht muss beim Prozess Fragen beantworten.
Sie gibt zu:
Ich habe beim Kranken-Mord mitgemacht.
Danach gibt es Untersuchungen vom Staatsanwalt.
Der Staatsanwalt prüft:
Was haben Willi Baumert, Max Bräuner und
Dora Vollbrecht in der Nazi-Zeit gemacht.
Die Untersuchungen dauern vom Jahr 1962 bis 1966.

Auszug aus der Mitschrift zur Vernehmung von Max Bräuner am 30. November 1961 vor dem Untersuchungsrichter, Landgericht Frankfurt am Main.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3.

Brief der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main an die Staatsanwaltschaft Lüneburg vom 27.6.1962.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3/1.
Am 30. November 1961 fragt ein Richter Max Bräuner
nach den Kranken-Morden in der Nazi-Zeit.
Max Bräuner gibt zu:
In der Anstalt in Lüneburger sind viele Kinder ermordet worden.
Und ich habe mitgemacht bei den Morden.
In diesem Text steht, was Max Bräuner gesagt hat.
Das ist ein Brief aus dem Jahr 1962.
Der Brief ist vom Staatsanwalt aus Frankfurt.
Er schreibt an den Staatsanwalt aus Lüneburg.
In dem Brief steht:
In der Anstalt Lüneburg gab es
in der Nazi-Zeit viele Kranken-Morde.
Das muss man neu untersuchen.
»Ich möchte einmal darstellen, aus welchem Grunde es zur Schaffung der Kinderfachabteilung in Lüneburg kam. Eines Tages wurde ich von Hannover aus angefragt […]. Bei dieser Anfrage wurde erkennbar, dass die Möglichkeit einer Euthanasie eingeschlossen sei. Ich habe aus noch darzulegenden Gründen nach reiflicher Überlegung zugesagt.«
Aus der Vernehmung von Max Bräuner am 30. November 1961 vor dem Untersuchungsrichter, Landgericht Frankfurt am Main.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3.
Am 30. November 1961 sagt Max Bräuner:
In der Nazi-Zeit gab es eine Kinder-Fachabteilung
in der Anstalt in Lüneburg.
Dafür gab es gute Gründe.
Die Idee dafür kam vom Landessozialamt Hannover.
VERNEHMUNG VON MAX BRÄUNER
Max Bräuner wurde noch mehrere Male zur Vernehmung vorgeladen. Bei seiner Vernehmung am 11. Dezember 1962 begründete er ausführlich, warum er der Einrichtung einer »Kinderfachabteilung« zugestimmt hatte. Er behauptete, er hätte es zum Wohlergehen der Anstalt gemacht. Er hatte auch kein schlechtes Gewissen. Er behauptete, er hätte damals gedacht, alles sei rechtmäßig. Er tat so, als sei er getäuscht worden und übernahm keine Verantwortung.
VERNEHMUNG VON MAX BRÄUNER
Max Bräuner muss oft Fragen beantworten.
Der Staatsanwalt will von ihm wissen:
Warum gibt es in der Nazi-Zeit
eine Kinder-Fachabteilung in Lüneburg?
Max Bräuner sagt:
Die Nazis wollten die Anstalt in Lüneburg schließen.
Die Anstalt sollte eine Schule werden.
Die Anstalt konnte nur bleiben,
weil es eine Kinder-Abteilung gab.
Max Bräuner sagt auch:
Ich dachte, der Kranken-Mord ist erlaubt.

Vernehmung von Max Bräuner vom 11.12.1962.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3/1.
»Ich muss noch hinzufügen, dass schon jahrelang vorher immer erwogen wurde, die Lüneburger Anstalt zu einer Gauschule, jedenfalls für Parteizwecke in Anspruch zu nehmen. Ich versprach mir also mit dem Reichsausschuss im Hintergrund ein gewichtiges Argument gegen diese Parteipläne. […] Ich habe damals der Einrichtung einer KFA [Kinderfachabteilung] zugestimmt, weil ich der Ansicht war, die geplanten Maßnahmen seien rechtmäßig.«
Aus der Vernehmung von Max Bräuner vom 11.12.1962, S. 2 | 8.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3/1.
Das sagt Max Bräuner im Dezember 1962:
Ich wollte die Anstalt in Lüneburg retten,
damit Kranke dort eine gute Behandlung bekommen.
Ich wollte nicht,
dass die Nazis die Anstalt für etwas anderes nutzen.
Zum Beispiel: für Büros von der Nazi-Partei.
Um die Anstalt zu retten, brauchte ich einen Grund.
Der Grund war:
Wir machen in der Anstalt
eine Kinder-Fachabteilung.
Dann können hier kranke Kinder ermordet werden.
Das fanden die Nazis gut.
So konnte die Anstalt bleiben.

Vernehmung von Willi Baumert vom 17.12.1962.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3/1.
VERNEHMUNG VON WILLI BAUMERT
Als die Ermittlungen gegen Willi Baumert wieder aufgenommen wurden, war er bereits sechs Jahre Ärztlicher Direktor des Landeskrankenhauses Königslutter und Vorsitzender des Verbandes der niedersächsischen Anstaltsärzte und Psychiater. Im Dezember 1962 gab er zu, hundertfach Kinder ermordet zu haben. Er übernahm keine Verantwortung für seine Taten. Er sagte, er habe auf Anweisung von oben gehandelt. Außerdem verklärte er die Morde als Dienst an der Wissenschaft.
VERNEHMUNG VON WILLI BAUMERT
Nach der Nazi-Zeit ist Willi Baumert Chef
von der Anstalt Königslutter.
Er ist auch Chef von einem Berufs-Verband.
In dem Berufs-Verband sind alle Anstalts-Ärzte
in Niedersachsen Mitglied.
In dieser Zeit weiß der Staatsanwalt schon:
Willi Baumert ist ein Mörder.
Denn in der Nazi-Zeit macht er mit
beim Kinder-Mord.
Der Staatsanwalt fragt Willi Baumert oft
nach den Morden.
Aber Willi Baumert gibt die Morde nicht zu.
Er sagt: Ich bin kein Mörder.
Erst im Dezember 1962 sagt Willi Baumert:
Es stimmt, ich habe Kinder ermordet.
Aber ich habe nur das gemacht,
was die Nazis mir gesagt haben.
Die Morde sind nicht meine Schuld.
Willi Baumert sagt auch:
Die Morde waren für die Forschung.
»Mir wird vorgehalten, dass ich im Krankenblatt des Wilhelm Schaffrath den Jungen als ›lebensunwert‹ bezeichnet habe. Dieses Wort gehört nicht zu meinem Sprachschatz. Es kann natürlich sein, dass ich es gelegentlich gebraucht habe. […] Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass ich in dieser Angelegenheit ohne mein Zutun verwickelt worden bin. Ich habe die Anordnungen zur Einschläferung von Kindern immer ungern und auch nur deshalb gegeben, weil ich mich an die vom Reichsausschuss erteilte Anweisung gebunden gefühlt habe. Es war eine sicherlich sehr unangenehme Tätigkeit, ich habe aber nicht das Gefühl gehabt, etwas verbotenes zu tun.«
Aus der Vernehmung von Willi Baumert vom 17.12.1962, S. 8.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3/1.
Das sagt Willi Baumert am 17. Dezember 1962:
Ich bin unschuldig.
Die Nazis haben mir den Auftrag
für die Morde gegeben.
Ich musste den Auftrag erfüllen.
In der Nazi-Zeit war der Auftrag nicht verboten.
Die Morde waren erlaubt.
VERNEHMUNG VON DORA VOLLBRECHT
Nachdem Dora Vollbrecht am 22. Mai 1962 bei einer Befragung des Untersuchungsrichters gelogen hatte, quälte sie ihr schlechtes Gewissen. Sie vertraute sich einem Bekannten an, der sie davon überzeugte, die Wahrheit zu sagen. Daraufhin machte sie am 4. Juni 1962 eine neue Aussage, in der sie ihre Beteiligung am Mord in der Lüneburger »Kinderfachabteilung« genau beschrieb.
VERNEHMUNG VON DORA VOLLBRECHT
In der Nazi-Zeit ist Dora Vollbrecht Pflegerin
in der Kinder-Fachabteilung in Lüneburg.
Im Jahr 1962 muss sie dem Staatsanwalt
Fragen beantworten.
Erst lügt sie.
Sie sagt:
Ich erinnere mich an keine Morde.
Den Kindern ging es immer gut.
Eine Woche später sagt sie dann die Wahrheit.
Denn sie hat ein schlechtes Gewissen.
Sie kann nicht mehr lügen.
Sie gibt zu:
Ich bin eine Mörderin.
Sie beschreibt genau,
was sie bei den Morden gemacht hat.

Vernehmung von Dora Vollbrecht vom 4.6.1962.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3/1.
»Ich möchte heute sagen, dass diese Kinder nicht wussten, wozu sie am Leben waren. Ich meine, dass diese Kinder geistig unter dem Tier standen. […] Wenn ich gefragt werde, wie mir zumute war, als Dr. Bräuner mir sagte, was meine Aufgabe sein würde, so muss ich sagen, ich bin ein Mensch, der alles runterschluckt und nichts sagen kann. […] Ich habe auch nicht gewagt, nach der Belehrung […] den Weisungen der Ärzte nicht nachzukommen. […] Gerne habe ich das nicht getan, […]. […] Ich bin kein Mensch, der sich traut, Vorgesetzten zu widersprechen. Das kann ich nicht. Das kann ich noch nicht einmal bei meinem Bruder.«
Vernehmung von Dora Vollbrecht vom 4.6.1962, S. 5 | 8.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3/1.
Das sagt Dora Vollbrecht am 4. Juni 1962:
Ich mache immer, was man mir sagt.
Ich widerspreche meinem Chef nicht.
Es fühlte sich falsch an, die Kinder zu töten
Aber ich habe es trotzdem gemacht,
weil mein Chef es mir gesagt hat.
Hertha Heuer (geb. Walther), Marie-Luise Heusmann, Maria Harneid und Loni Böttcher arbeiteten noch in den 1960er-Jahren als Pflegerinnen im Landeskrankenhaus Lüneburg. Sie behaupteten vor dem Untersuchungsrichter, sie hätten niemals etwas von den Morden mitbekommen bzw. gar nicht in der »Kinderfachabteilung« gearbeitet. Auch Pflegerinnen, die inzwischen andernorts arbeiteten (Getrud Scholz, geb. Marloth, Irmgard Fischer, geb. Kamienke und Frieda Bergmann), sagten aus, sie hätten nichts gesehen oder gehört. Alle logen. Obwohl es Zeugnisse gab, die ihre Beteiligungen nahelegten, fanden keine Ermittlungen gegen sie statt.
4 Pflegerinnen arbeiten nach der Nazi-Zeit
noch in der Anstalt in Lüneburg.
Sie haben auch in der Nazi-Zeit dort gearbeitet.
Sie sagen vor Gericht:
Wir wissen nichts vom Kranken-Mord.
Wir haben nichts gemerkt.
Die 4 Pflegerinnen antworten alle gleich.
Aber sie lügen.
Es gibt Beweise,
dass sie beim Kranken-Mord mitgemacht haben.
Aber die Beweise sind dem Gericht egal.
Das Gericht glaubt die Lügen trotzdem.

Ärztliche Bescheinigung über Willi Baumert vom 19.1.1963.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3/1.
1966 wurden die Ermittlungen gegen Max Bräuner und Willi Baumert, 1980 gegen Dora Vollbrecht eingestellt. Alle drei legten ärztliche Bescheinigungen vor, die besagten, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage seien, gerichtlich verhandelt zu werden. Es kam daher zu keiner Anklage, und es gab nie einen Gerichtsprozess. Ihre Taten wurden nicht bestraft.
Im Jahr 1966 sind die Gerichts-Untersuchungen
für Max Bräuner und Willi Baumert zu Ende.
Es soll dann einen Gerichts-Prozess geben.
Aber sie haben eine Bescheinigung vom Arzt.
Darin steht:
Max Bräuner ist zu krank für einen Gerichts-Prozess.
Willi Baumert ist zu krank für einen Gerichts-Prozess.
Darum gibt es keine Gerichts-Prozesse.
Die beiden bekommen keine Strafe.
Im Jahr 1984 sind die Gerichts-Untersuchungen gegen Dora Vollbrecht zu Ende.
Sie hat auch eine Bescheinigung vom Arzt.
Sie ist auch zu krank für einen Gerichts-Prozess.
Sie bekommt keine Strafe.
Während der Ermittlungen gegen die Lüneburger Tatbeteiligten lief der Strafprozess gegen Werner Heyde am Landgericht Frankfurt am Main. Der Prozess fand in der Öffentlichkeit großes Interesse. Im Januar 1964 widmete ihm DER SPIEGEL auf den Seiten 28 bis 38 die Titel-Geschichte. Einen Monat später nahm sich Werner Heyde das Leben und entzog sich auf diese Weise einem Urteil.
Im Jahr 1964 gibt es in Lüneburg Gerichts-Untersuchungen gegen Mitarbeiter von der Anstalt.
Zur gleichen Zeit passiert das:
Werner Heyde kommt in Frankfurt vor Gericht.
Viele Zeitung schreiben über den Gerichts-Prozess.
In der Zeitschrift DER SPIEGEL gibt es 10 Seiten
über den Gerichts-Prozess.
Dann tötet sich Werner Heyde selbst.
Der Gerichts-Prozess endet.

DER SPIEGEL, Nr. 8, Januar 1964.
ArEGL 191.
DORA VOLLBRECHT (1906 – 1984)
Dora Vollbrecht stammte aus Hannover. Sie war ausgebildete und verbeamtete Anstaltspflegerin. Zum 1. Oktober 1941 wurden sie und ihre Kollegin Ingeborg Weber für eine »besondere Verwendung« in die »Kinderfachabteilung« Lüneburg abgeordnet. Vollbrecht entschied sich, die Abordnung anzunehmen und sich an den »Euthanasie«-Maßnahmen zu beteiligen. 1942 stimmte sie ihrer dauerhaften Versetzung nach Lüneburg zu. Ab dann erkrankte sie häufiger für mehrere Monate, kehrte aber immer wieder pflichtbewusst in den Dienst zurück. Im Januar 1945 wurde ihr bescheinigt, dass sie zu krank für den Pflegeberuf sei. Erst im Oktober 1945 verließ sie die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg und zog nach Hannover. Ihre Taten prägten ihr weiteres Leben. Sie starb am 29. Oktober 1984 in Bremervörde.
DORA VOLLBRECHT
Dora Vollbrecht kommt aus Hannover.
Sie ist Pflegerin.
Im Jahr 1941 arbeitet sie
in der Kinder-Fachabteilung in Lüneburg.
Dort ermordet sie Kinder und Jugendliche
mit Behinderungen.
In den Jahren 1942, 1943 und 1944 ist sie krank.
Sie ist dann viele Wochen nicht in der Anstalt.
Aber sie kommt immer wieder zurück.
Im Januar 1945 sagt ein Arzt:
Dora Vollbrecht ist zu krank für den Beruf.
Sie kann nicht mehr als Pflegerin arbeiten.
Aber sie bleibt in der Anstalt und arbeitet weiter.
Erst im Oktober 1945 verlässt Dora Vollbrecht
die Anstalt.
Sie verlässt Lüneburg.
Sie zieht nach Hannover und arbeitet nicht mehr.
Sie hat ein schlechtes Gewissen.
Denn sie hat beim Kinder-Mord mitgemacht.
Sie bekommt nie eine Strafe.
Sie stirbt im Jahr 1984.
Die Ermittlungen gegen die Gutachter des »Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erfassung an erb- und anlagebedingten schweren Leiden« wurden 1956 durch die Staatsanwaltschaft Hannover aufgenommen. Die Verfahren gegen alle Verantwortlichen der »Kinder-Euthanasie« endeten meistens mit einem Freispruch oder ohne Urteil.
Viele namentlich bekannte Beteiligte an der »Kindereuthanasie« sind im »Täterbuch« gegenüber zu finden.
In der Nazi-Zeit gibt es
mehr als 30 Kinder-Fachabteilungen in Deutschland.
Viele Ärzte und Pfleger arbeiten
in den Kinder-Fachabteilungen.
Und es gibt den Reichsausschuss von den Nazis.
Dort arbeiten viele Ärzte als Gutachter.
Sie entscheiden, welche Kinder ermordet werden.
Nach der Nazi-Zeit gibt es gegen viele Ärzte und Pfleger eine Straf-Verfolgung.
Der Staatsanwalt will beweisen:
Diese Menschen haben mitgemacht
beim Kranken-Mord.
Aber es gibt nur wenige Beweise.
Darum gibt es nur wenige Gerichts-Prozesse.
Es gibt kaum Strafen gegen Ärzte und Pfleger.
In diesem Raum gibt es eine Medienstation.
Auf der Medienstation gibt es ein Täter-Buch.
Im Täter-Buch stehen die Namen
von 175 Menschen.
Sie alle haben beim Kranken-Mord an Kindern
in der Nazi-Zeit mitgemacht.

Brief der Generalstaatsanwaltschaft Celle an den Oberstaatsanwalt über die in Hannover laufenden Verfahren zur »Kinder-Euthanasie« vom 19.7.1962.
NLA Hannover Nds. 721 Lüneburg Acc. 8/98 Nr. 3/1.
Das ist ein Brief aus dem Jahr 1962.
In dem Brief steht:
Es gibt ein Gerichts-Verfahren gegen die Ärzte
• Willi Baumert
• Hans Heinze
• Werner Catel
• Ernst Wentzler
Das Gericht prüft:
Haben die Ärzte beim Kranken-Mord
an Kindern mitgemacht.
KEINE STRAFVERFOLGUNG
Nur etwa 175 Personen, die nachweislich an der »Kinder-Euthanasie« beteiligt waren, sind namentlich bekannt. Die tatsächliche Zahl der Beteiligten ist um ein Vielfaches höher.
Die meisten blieben frei von einer Strafverfolgung. Gegen mehr als 115 wurde nicht einmal ermittelt. Bei rund 30 Personen handelte es sich um die Leitenden Ärztinnen und Ärzte sowie Direktoren der Kliniken und Anstalten, unter ihnen auch die Ärztlichen Leiterinnen und Leiter der »Kinderfachabteilungen« Berlin-Wittenau, Breslau, Aplerbeck, Eglfing-Haar, Görden, Graz, Hamburg-Rothenburgsort, Kaufbeuren-Irsee, Konradstein, Leipzig-Dösen, Universitätskinderklinik Leipzig, Niedermarsberg, Sachsenberg, Stadtroda, Tiegenhof, Uchtspringe, Ueckermünde und Wiesengrund. Zwölf weitere Personen waren Oberpflegerinnen und Oberpfleger. Sie alle wurden nie zu den in ihren Häusern verübten Verbrechen befragt.
Gegen mehr als 25 der identifizierten rund 175 Personen wurde in den Jahren 1945 bis 1949 sowie in den 1960er- bis 1980er-Jahren zwar ermittelt, alle Ermittlungsverfahren wurden aber eingestellt.
Das hatte verschiedene Gründe:
Sieben Ärztinnen und Ärzte sowie zwei Pflegerinnen entzogen sich einer Strafermittlung durch Selbsttötung, vor allem in den Jahren 1945 bis 1947. Eine Ärztin nahm sich 1964 das Leben.
Die übrigen Ermittlungsverfahren wurden aus Mangel an Beweisen, aufgrund ärztlichen Attests oder wegen Verjährung eingestellt. Gegen viele Verdächtige wurde nicht wegen Mordes, sondern wegen Tötung ermittelt. Infolgedessen griff ab Mitte der 1950er-Jahre eine Verjährungsfrist. Viele konnten darüber hinaus glaubhaft machen, dass sie aus gesundheitlichen Gründen außer Verfolgung gesetzt werden müssten.
Vier Pflegerinnen der »Kinderfachabteilung« in Wien, der Leiter der »Kinderfachabteilung« Konradstein sowie der Verwaltungsdirektor der »Kinderfachabteilung« Meseritz-Obrawalde tauchten unter und wurden zum Teil erfolglos steckbrieflich gesucht.
KEINE STRAFVERFOLGUNG
Heute kennt man die Namen von 175 Personen,
die beim Kinder-Mord mitgemacht haben.
Aber es gibt noch viel mehr Personen,
die beim Kinder-Mord mitgemacht haben.
Diese Personen sind Mörder.
Aber es gibt nur wenige Gerichts-Untersuchungen gegen die Mörder.
Über 115 Mörder werden nicht überprüft.
Sie müssen keine Fragen beantworten.
Zum Beispiel:
weil sie Chefs von Kinder-Fachabteilungen waren.
Obwohl man weiß, dass sie Mörder sind.
Es gibt Gerichts-Untersuchungen gegen 25 Mörder.
Man fragt die Mörder nach den Morden.
Aber dann stoppt man
die Gerichts-Untersuchungen.
Das sind die Gründe dafür:
• 8 Mörder bringen sich selbst um.
Denn sie können mit ihrer Schuld nicht leben.
• Es fehlen Beweise.
• Die Morde sind schon zu lange her.
Das Gericht kann die Mörder nicht
mehr bestrafen.
• Die Mörder sind zu alt und zu krank
für einen Gerichts-Prozess.
4 Pflegerinnen und ein Arzt verstecken sich.
Die Polizei kann sie nicht finden.
STRAFVERFOLGUNG
Nur gegen etwa 35 Beteiligte an der »Kinder-Euthanasie« wurde ein Strafverfahren eröffnet. Acht dieser Strafverfahren wurden eingestellt, unter anderem gegen Ernst Wentzler, Hauptgutachter beim »Reichsausschuss«, und Georg Renno, Leiter der »Kinderfachabteilung« Waldniel. Auch die Strafverfahren gegen die Leiter der »Kinderfachabteilungen« Eglfing-Haar (Fritz Kühnke), Hamburg-Langenhorn (Friedrich Knigge), Hamburg-Rothenburgsort (Wilhelm Bayer) und Konradstein (Hans Arnold Schmidt) wurden eingestellt.
Mindestens fünf Strafverfahren, unter anderem gegen die Ärztlichen Leiter der »Kinderfachabteilung« Sachsenberg (Alfred Leu) und Uchtspringe (Gerhard Wenzel), endeten mit einem Freispruch. Auch mindestens drei Pflegerinnen wurden freigesprochen, unter ihnen Aenne Wrona, die sowohl in der »Kinderfachabteilung« Waldniel als auch in Kalmenhof Kinder ermordet hatte.
Karl Lempp, als Ärztlicher Direktor verantwortlich für die »Kinderfachabteilung« Waldniel, erhielt 1947 eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Mark. Andere Urteile fielen zunächst weniger milde aus.
Erwin Jekelius, verantwortlicher Ärztlicher Direktor in Wien-Spiegelgrund, wurde 1948 zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Er starb 1952 im Straflager. 1946 und 1947 wurden mindestens acht Todesstrafen ausgesprochen. Drei davon wurden vollstreckt, gegen Ernst Illing, Ärztlicher Leiter der »Kinderfachabteilungen« Görden und Wien-Spiegelgrund, sowie gegen Hilde Wernicke und Helene Wieczorek, beide für die Kindermorde in Meseritz-Obrawalde verantwortlich. Johann Aberg entkam seiner Todesstrafe, indem er untertauchte.
Die weiteren Todesurteile wurden 1949 in Haftstrafen umgewandelt. In den 1950er-Jahren wurden die verurteilten Ärztinnen und Ärzte begnadigt und nur wenig später aus der Haft entlassen. Mathilde Weber (Leiterin der »Kinderfachabteilung« Kalmenhof) wurde nach zwei Jahren Haft entlassen. Hermann Wesse (Leiter der »Kinderfachabteilungen« Kalmenhof, Waldniel und Uchtspringe) wurde 1958 begnadigt und 1966 aus der Haft entlassen. Mit 17 Haftjahren verbrachte er von allen Verurteilten die längste Zeit im Gefängnis.
Mindestens acht an der »Kinder-Euthanasie« beteiligte Ärztinnen und Ärzte sowie mindestens vier Pflegekräfte wurden ausschließlich zu Haftstrafen zwischen zwölf und zwei Jahren verurteilt. Mindestens vier traten ihre Haftstrafe nie an. Die anderen verbüßten nur einen Bruchteil ihrer Strafe und wurden nach ein bis sechs Jahren vorzeitig entlassen.
STRAF-VERFOLGUNG
35 Mörder vom Kinder-Mord in der Nazi-Zeit kommen vor ein Gericht:
• 8 Gerichts-Verfahren stoppen ohne Ergebnis.
Zum Beispiel:
gegen einen Gutachter vom Reichsausschuss.
Und gegen Chefs von Kinder-Fachabteilungen.
Keiner weiß,
warum die Verfahren gestoppt werden.
• 5 Gerichts-Verfahren enden mit dem Urteil: unschuldig.
Die Täter bekommen keine Strafe,
obwohl sie schuldig sind.
• ein Gerichts-Verfahren endet
mit einer Geld-Strafe.
Aber es gibt auch Gerichts-Verfahren mit Strafen:
• Es gibt 8 Todes-Strafen.
3 Todes-Strafen setzt man um.
Die anderen 5 Todes-Strafen ändert man
zu Haft-Strafen.
• Es gibt Haft-Strafen.
Aber die Mörder kommen
nach wenigen Jahren wieder frei.
Viele Mörder müssen ihre Strafe nicht antreten.
Oder die Mörder treten ihre Strafe gar nicht an.

Hannah Uflacker: Mutter und Kind. Gütersloh 1965.
KARRIEREN IN DER BRD UND IN DER DDR
Nach dem Ende des Nationalsozialismus machten viele Kinderärztinnen und -ärzte in West- und Ostdeutschland Karriere. Sie prägten die Kinderheilkunde und die Säuglingspflege in der Nachkriegszeit bis in die 1970er-Jahre. Wegen ausbleibender Ermittlungen blieb oft verborgen, wer sich an der »Kinder-Euthanasie« beteiligt hatte.
Hannah Uflacker veröffentlichte 1956 in der damaligen BRD ihren praktischen Ratgeber »Mutter und Kind« mit einem Geleitwort von Werner Catel. Niemand störte sich daran, dass er Hauptgutachter im »Reichsausschuss« und für die Ermordung von Tausenden »Reichsausschuss-Kindern« verantwortlich gewesen war. Wegen Beteiligung an der »Kinder-Euthanasie« während ihrer Zeit an der Universitätskinderklinik Leipzig wurde zwischen 1960 und 1964 gegen Hannah Uflacker selbst ermittelt. Sie gestand die Ermordung von sechs Kindern und nahm sich 1964 das Leben, als ihr der Entzug der ärztlichen Zulassung drohte. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete sie im Gesundheitsamt Hannover.
Viele Mörder bleiben unentdeckt.
Sie arbeiten nach der Nazi-Zeit weiter
in ihren Berufen.
Sie werden erfolgreiche Ärzte.
Sie werden berühmt.
Sie haben Einfluss auf die Medizin in Deutschland.
Sie haben Einfluss auf die Kinder-Pflege.
Keiner fragt,
was sie in der Nazi-Zeit gemacht haben.
Zum Beispiel: Hannah Uflacker.
Sie schreibt nach der Nazi-Zeit ein Buch.
Das Buch heißt: Mutter und Kind.
Es erscheint im Jahr 1956.
Der Mörder Werner Catel schreibt für das Buch
das Gruß-Wort.
Sehr viele Leute kaufen das Buch.
Alle Pflege-Schulen benutzen das Buch.
Alle Kinder-Pfleger benutzen das Buch.
Keiner weiß:
Hannah Uflacker und Werner Catel haben
in der Nazi-Zeit Kinder ermordet.

Hans-Christoph Hempel: Säuglingsfibel. Leipzig 1970.
Hans-Christoph Hempel war ehemaliger Leitender Arzt der Universitätskinderklinik Leipzig und leitete in der DDR die Bezirks-Kinderklinik Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). Gegen ihn fanden nie Ermittlungen statt, obwohl er in der Leipziger »Kinderfachabteilung« für die »Sonderbehandlung« der Kinder und Jugendlichen zuständig gewesen war. 1960 habilitierte er. 1969 veröffentlichte er als »Verdienter Arzt des Volkes« die »Säuglingsfibel«. Darin betonte er besonders die Vorteile der Krippenunterbringung von Kleinstkindern.
Hans-Christoph Hempel ist Arzt in der
Kinder-Fachabteilung an der Universität in Leipzig.
Er ermordet viele Kinder in der Nazi-Zeit.
Nach der Nazi-Zeit bleibt er in Ost-Deutschland.
Er wird Leiter von der Kinder-Klinik in Chemnitz.
Er wird Professor an der Universität.
Er ist sehr erfolgreich.
Keiner fragt ihn nach den Morden in der Nazi-Zeit.
Es gibt keine Untersuchung und
kein Gerichts-Verfahren gegen ihn.
Hans-Christoph Hempel schreibt ein Buch.
Das Buch heißt: Säuglingsfibel.
Das Buch ist ein Ratgeber.
Viele Leute kaufen das Buch.
Viele Familien benutzen das Buch.
Keiner weiß,
dass ein Kinder-Mörder das Buch geschrieben hat.