NFC zu N-K-03

UMGANG MIT DEN GRÄBERN

Brief des Friedhofsamtes der Stadt Lüneburg an die ehemalige Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg vom 2.10.1957.

StadtALg, VA2, 5001.

In Frankreich, in den Niederlanden und in Italien wurden die Toten der Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Von 1949 bis 1957 wurden ihre Leichen umgebettet. Die französischen und niederländischen Kriegstoten wurden in die Heimat überführt. Der Italiener Mariano Tedeschi kam auf den Friedhof Hamburg-Öjendorf.

Leonardus Adrianus Krol (1918 – 1945) aus Noordwijk war Bäcker. Um sich vor der näher kommenden Westfront in Sicherheit zu bringen, war er ins Deutsche Reich geflüchtet. Da er aufgrund der Bombardierungen in Bremen nicht behandelt werden konnte, kam er nach Lüneburg und wurde am 8. Januar 1945 in die »Ausländersammelstelle« aufgenommen. Innerhalb von drei Monaten war er tot.

Das Protokoll ist ein Formular, welches mit der Schreibmaschine ausgefüllt wurde. Das Papier ist vergilbt. Es ist handschriftlich unterzeichnet.

Mitschrift zur Umbettung des Niederländers Leonardus Adrianus Krol vom 15.10.1953.

StadtALg, VA2, 5001.

Das Verzeichnis ist mit der Schreibmaschine verfasst. Das Papier ist sehr vergilbt. Von Pierre Adam ist das Geburts-, Aufnahme- und Sterbedatum und die Grabnummer notiert.

Verzeichnis der auf dem Friedhof der Landes- Heil- und Pflegeanstalt in Lüneburg beerdigten Kriegsgefangenen französischer Staatsangehörigkeit, vor 1949.

StadtALg, VA2, 5001.

Pierre Adam (1908 – 1945) aus Paris gehört zu den umgebetteten französischen Toten. Er war Kriegsgefangener. Er wurde am 9. Mai 1945 in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg aufgenommen und starb nach vier Tagen. 1949 wurde er nach Frankreich überführt.

Es ist ein schwarz-weißes Foto. Es zeigt zwei Männer im dunklen Anzug an einem geschmückten Pult In der Parkanlage vor dem Gedenkstein.
Es ist ein schwarzweißes Foto vom Anstaltsfriedhof. Die Aufnahme wurde aus der Luft fotografiert. Der Friedhof ist nahezu quadratisch angelegt. Er untergiedert sich in verschiedene Gräberfelder. Es gibt Felder mit größeren Gräbern und Felder mit kleineren Gräbern. In der linken untern Ecke des Friedhofes ist eine Kiesgrube erkennbar. In der Mitte des Friedhofes fehlt ein Gräberfeld. Dort ist eine Baumallee erkennbar.

Ausschnitt aus einem Luftbild, Anstaltsfriedhof, 13.4.1963, aus: Luftbild Bildflug Lüneburg-Barum (224), Bild-Nr. 3/142.

StadtALg, BS, Pos-Gr-3822.

Es ist ein Farbfoto von einem Grabstein. Es ist ein längsovaler Naturstein. In Lettern steht der Name REDEPENNING auf dem Grabstein. Vor ihm liegt Laub. Er ist verwittert und an einzelnen Stellen bemoost. Er ist umgeben von Büschen und Bäumen. Das Grab ist in einem ungepflegten Zustand.

Grab von Rudolf Redepenning, 2025.
Fotograf Mathias Mensch.

ArEGL.

Vor 1963 wurde auf dem Anstaltsfriedhof ein Ehrenhain angelegt, mutmaßlich für die Opfer des Krankenmordes in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg. Als Rudolf Redepenning 1967 starb, wurde er dort beigesetzt. Es befanden sich noch sämtliche Gräber der Opfer an Ort und Stelle. Für den Tod einzelner war er mitverantwortlich. Die Anlage ist heute ein Denkmal.

Die Liste besteht aus einer mittig gelochten Doppelseite. Das Papier ist sehr vergilbt. Die Tabelle ist gedruckt und überwiegend mit der Schreibmaschine ausgefüllt. Einige Angaben zu Staatsangehörigkeit und Geburtstag und -ort sind handschriftlich ausgefüllt beziehungsweise korrigiert.
Es ist ein schwarz-weißes Foto. Else Wehde ist bis zu den Knien abgebildet. Sie trägt ein dunkles Jackett mit dunklem Rock und heller Bluse. Ihre Haare sind locker hochgesteckt. Sie hält die Hände im Schoß gefaltet und blickt niedergeschlagen.

Else Wehde am Grab ihres Sohnes Fritz Wehde, nach 1945. Das Grab verschwand in den 1970er-Jahren.

Privatbesitz Uta Wehde.

Als Fritz Wehdes Grab wie die anderen über 300 Grabstätten von Kindern und Jugendlichen aufgelöst wurde, nahm man seinen Eltern den einzigen Ort der Trauer.

1975 wurde eine Kriegsgräberstätte mit Scheingräbern zu 50 »Euthanasie«-Opfern geschaffen. Ihre Umbettungen wurden vorgegeben, sie fanden nie statt. Zudem wurden 35 Gräber von Toten einbezogen, die nicht die ausgewiesenen »Euthanasie«-Opfer waren. Die diesbezügliche Gräberliste wurde gefälscht. Die Anlage wurde nie öffentlich eingeweiht. Auch nach ihrer Errichtung gab es bis 2013 dort kein öffentliches Gedenken.

Der Brief ist mit Schreibmaschine verfasst. Er ist als Entwurf gestempelt und links mehrfach gelocht. Im Brief wird bestätigt, dass die Umsetzung der Gräber erfolgt.

Brief der Stadt Lüneburg an den Regierungspräsidenten vom 15.9.1975.

Friedhofsamt der Hansestadt Lüneburg, Loseblattsammlung, Kopie ArEGL.

Das Papier ist leicht vergilbt. Es zeigt eine mit der Hand gezeichnete technische Darstellung. Mit Lineal sind Pflanzungen und Rasenanlagen eingezeichnet und mit Maßen versehen.

StadtALg, VA2, 5001.

Aufmaß für die Errichtung einer Kriegsgräberstätte auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof vom 12.9.1975. Die gärtnerischen Arbeiten wurden von der Gärtnerei des Landeskrankenhauses ausgeführt. Hieran waren auch damalige Erkrankte beteiligt.

Die schlicht gehaltene Anlage (Rasen mit einer zweireihigen Grabreihe, Kissensteine für »Einzelgräber«) erhielt eine Hecke und ein Holzkreuz mit der Inschrift »1933 – 1945«. In dieser Form war die Anlage gut zu mähen und kostete kaum Geld.

Es ist ein Farbfoto des Hochkreuzes. Vor dem Kreuz stehen niedrige Sträucher. Dahinter und daneben etwas höhere Gewächse.

Hochkreuz der Kriegsgräberstätte auf dem Friedhof Nord-West, 2014.

Es ist ein Farbfoto. Sichtbar ist eine Rasenfläche mit eingelassenen Steinen. Am Rand ist sie durch Beete mit Heckenbepflanzung begrenzt.

Grabreihen mit Scheingräbern als Teil der Kriegsgräberstätte auf dem Friedhof Nord-West, 2014.

ArEGL.

Das Schreiben ist mit der Schreibmaschine verfasst und handschriftlich unterzeichnet. Das Papier ist vergilbt. Mit rotem Stempel ist es als »Entwurf« gekennzeichnet.

Schreiben (Entwurf) des Friedhofsamtes der Stadt Lüneburg an Jadwiga Cichon vom 4.7.1978.

StadtALg, VA2, 5001.

Als sich Jadwiga Cichon, die Ehefrau von Jon Cichon (1892 – 1945), 1978 nach der Grablage ihres Mannes erkundigte, wurde sie vom Friedhofsamt an die ehemalige Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg verwiesen. Sein Grab wurde bei der Errichtung der Kriegsgräberstätte nicht berücksichtigt. Angehörige wurden in den Umgang mit den Gräbern ihrer Toten nicht einbezogen.

Es ist ein verschwommenes Farbfoto. Es zeigt zentral ein niedriges Holzkreuz mit Inschrift. Vor dem Kreuz stehen drei schmale Blumensträuße.

Holzkreuz auf dem Anstaltsfriedhof, 1.7.1983.

ArEGL 19.

Mitglieder der Zivilgesellschaft setzten unabhängig von den Bemühungen der Behörde und des Landeskrankenhauses ein Zeichen. Im Frühjahr 1983 stellten sie auf dem Anstaltsfriedhof ein Holzkreuz auf. Da es durch einen Unbekannten errichtet worden war und nicht den Vorstellungen des Ärztlichen Direktors entsprach, wurde das Holzkreuz Anfang Juli 1983 abgebaut und in der Gärtnerei des Landeskrankenhauses aufbewahrt.

Die Skizze ist leicht vergilbt und wurde mit freier Hand vorgenommen. Beschriftungen sind in unregelmäßiger Handschrift in teilweise schiefen Zeilen vorgenommen. Die Bemaßung ist mit Lineal eingezeichnet.
Es ist ein Farbfoto des Gedenksteins. Hinter dem Stein ist ein Gebüsch mit Birkenstamm sichtbar.
Der Zeitungsbericht ist einspaltig in drei Absätzen. Neben dem Artikel ist ein schwarz-weißes Foto des Gedenksteines mit vielen Besuchenden.
Der Leserbrief ist einspaltig. Neben dem Ausschnitt ist handschriftlich die Quelle eingetragen.

1999 bildete sich eine AG aus Beschäftigten, Angehörigen von Erkrankten und Mitgliedern der Zivilgesellschaft. Sie erarbeiten eine Jubiläumsausgabe zum 100-jährigen Bestehen des Landeskrankenhauses. Jürgen Lotze leitete die AG. Er hatte die Vision einer Gedenkstätte. Bei der Sanierung des Wasserturmes 1989 sorgte er dafür, dass auf fünf Ebenen Betondecken eingezogen wurden. Sie sollten eine zukünftige »museale Nutzung« ermöglichen. Sein Nachfolger wurde Sebastian Stierl.

Handschriftliche Notiz in der Bauakte vom 5.10.1989.

Bauamt der Hansestadt Lüneburg | Kopie ArEGL.

Auszug aus der Bauakte, 1989.

StadtALg, VA2, 5001.

JÜRGEN LOTZE (1941 – 2020)

Dieses Schild wurde von einem Unbekannten vor dem ehemaligen Badehaus am Wasserturm aufgestellt, als es für eine zukünftige Nutzung als Gedenkstätte umgebaut wurde.

Baustellen-Schild vor der zukünftigen Gedenkstätte, um 2003.

Es ist ein Foto eines Zeitungsartikels. Mittig im Text unter der Überschrift ist ein großes farbiges Bild. Es zeigt eine Seitenaufnahme von Ursula von der Leyen vor einer Wand mit Bildern. Sie blickt ernst nach links. Im Hintergrund sind Dr. Raimond Reiter und Dr. Jürgen Lotze zu sehen, die ihr zugewandt stehen.

ZEICHEN SETZEN UND ANDERS ERINNERN

Der Artikel geht über eine Seite. Er hat drei Spalten. Es sind vier Fotos um den Text herum angeordnet. Ein Foto oben zeigt ein Foto eines Hauses der Heil- und Pflegeanstalt. Darunter ein Straßenschild der »Hindenburgstraße«, in der eines der Kinder gewohnt hatte. Darunter ist ein kleines Porträtfoto von Carola S. Rudnick und unten rechts findet sich ein größeres Foto. Es ist eine schwarz-weiße Luftaufnahme der Hindenburgstraße.
Es ist ein Zeitungsartikel mit drei Spalten. Er trägt den Titel »Wie starb der Junge Helmut Quast?« Es gibt keine Fotos.
Es ist eine colorierte handgezeichnete Skizze einer gärtnerischen Anlage. Die Elemente der Gestaltung sind beschriftet.

Öffentliche Gedenkfeier mit Bestattung von Gehirnpräparaten in Anwesenheit von Angehörigen, 25.8.2013.

ArEGL 224.

Gedenkanlage auf dem Friedhof Nord-West, 2019.

ArEGL 230.

Auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof wurde eine Gedenkanlage geschaffen. Es gibt öffentliche Gedenkfeiern. In jedem Jahr wird ein anderer thematischer Schwerpunkt gesetzt. In das Programm sind oft Schüler*innen eingebunden.

Es ist ein Farbfoto. Auf einer schwach beleuchteten Bühne stehen mehre Schauspielerinnen in szenischen Posen. Das Gesicht einer Person ist angeleuchtet.

Theateraufführung der Theatergruppe »Die Weltenbrecher« der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg, Gedenkfeier 2018.

ArEGL 229.

Es ist ein Farbfoto von Grabsteinen auf einer Rasenfläche. Die Grabsteine sind aus Beton. Sie stehen in einer Reihe. Sie sind verwittert und Moos und Pilzen überzogen, die Schrift mit dem Namen und den Lebenjahren ist kaum lesbar. Sie stehen auch nicht mehr erade im Boden, sondern neigen sich zu verschiedenen Seiten.

Die Gedenkstätte bietet Workshops und Seminare an und ist auch ein Ort mehrtägiger internationaler Begegnungen. Die Angebote sind für alle Menschen zugänglich und finden im Bildungszentrum für Menschenrechte, Sozialpsychiatrie und Begegnung statt, das 2019 und 2020 im alten Gärtnerhaus errichtet wurde. Alle Angebote haben ein gutes, wertvolles Leben von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen zum Ziel. Dafür wurde die Gedenkstätte 2022 vom Niedersächsischen Kultusministerium als »Lernort Demokratiebildung« ausgezeichnet.

Es ist ein Farbfoto. Auf einer Decke im Sonnenschein sitzen und liegen verschiedene junge Menschen mit Papieren und lesen diese oder sprechen miteinander.

Teilnehmende einer mehrtägigen »Inklusionsschulung«, Frühjahr 2013.

ArEGL.

Es ist ein Farbfoto. Darauf ist ein niedriges zweistöckiges Fachwerkhaus. Es hat weiße Wände, rote Balken und dunkelgrüne Fenster mit Fensterläden.

Bildungszentrum für Menschenrechte, Sozialpsychiatrie und Begegnung, August 2020. Fotografin Anne Meyer.

Psychiatrische Klinik Lüneburg.

Es st ein Farbfoto. Aus einer erhöhten Position sind drei Personen zu sehen. Sie stehen um einen Tisch herum. Auf dem Tisch liegen Papiere, die die Personen anordnen und aufkleben.
Es ist ein Farbfoto. Zwischen zwei Personen hindurch wurde eine Schülerin fotografiert. Diese präsentiert in einer Mappe ein Foto von Otto Snell. Die Schülerin guckt freundlich die umstehenden Personen an.
Es ist ein Farbfoto. Große Posterwände der Ausstellung in weiß-oranger Farbgestaltung sind zu sehen. Vor einer Wand ist ein Bildschirm, vor dem ein Stuhl bereitsteht.

Im Zuge der Erarbeitung einer neuen Dauerausstellung wurden noch viele für die Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg bedeutsame Dinge und Unterlagen gefunden, gesammelt und in unserem Archiv eingelagert. Vieles davon ist in diese Ausstellung eingeflossen.

Es ist ein Farbfoto. Auf dem Weg vor dem Wasserturm steht ein Handwagen. Auf dem Handwagen ist ein staubiger, historischer Handhebelfahrstuhl schief aufgeladen.

Der Handhebelfahrstuhl wurde im Herbst 2023 im Kriechkeller in Haus 17 gefunden.

ArEGL.

ArEGL.

Im Zuge einer geplanten Neugestaltung der Kriegsgräberstätte im Frühjahr 2025 wurde beim Öffnen einzelner Gräber festgestellt, dass viele Gräber auf der Kriegsgräberstätte Scheingräber waren. Die gefundenen sterblichen Überreste stimmten nicht mit dem Belegungsplan überein. Damit wurde die Kriegsgräberstätte in Frage gestellt und begann die Suche nach den Gräbern.

Am 31. August 2025 wurde im ehemaligen Badehaus am Wasserturm ein Dokumentationszentrum eröffnet. Die Dauerausstellung »LEBENSWERT« zeigt, wie das damalige DENKEN, ENTSCHEIDEN und HANDELN war. Besucher*innen können im Raum GEDENKEN Informationen zu jedem bisher bekannten Menschen finden, der Opfer von Sterilisation und Krankenmord wurde.

Es ist ein Farbfoto. Es zeigt den Wasserturm von unten fotografiert. Sonnenschein lässt die farbigen Backsteine leuchten. Der Himmel ist blau.