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»AKTION T4«

Es ist ein schwarz-weißes Foto mit Blick auf den Lüneburger Bahnhof. Vor dem Aufgang ins Gebäude ist ein Platz. Auf dem Platz steht eine Tafel mit dem Symbol Niedersachsens. Neben der Tafel stehen große Sockel. Auf den Sockeln sind viele Hakenkreuzfahnen befestigt. Aus jedem Sockel ragt eine Stele hervor, auf denen die Skulptur eines Reichsadlers zu sehen ist.

Alle Erkrankten fuhren mit Zügen vom Lüneburger Bahnhof in die Anstalten der »Aktion T4« ab. Bahnhof Lüneburg, 1939.

StadtALg, BS, Pos-19249.

Es ist ein farbiges Foto. Darauf ist ein roter Postbus von hinten zu sehen. Vor dem Bus stehen zwei Ärzte in weißen Kitteln. Außerdem stehen mehrere Männer in dunkler Kleidung bei den Ärzten. Es sind Erkrankte. Die Ärzte kontrollieren ihre Papiere zu den Krankentransporten und prüfen, ob die Erkrankten auf der Liste stehen.

Abtransport von Patienten der Anstalt Liebenau, August 1940.

Stiftung Liebenau.

Die Verlegungen der 483 Lüneburger Erkrankten in die Tötungsanstalten Brandenburg und Pirna-Sonnenstein sowie in die Zwischenanstalt Herborn fanden mit Personenzügen statt. Nur bei der Verlegung von der Zwischenanstalt Herborn in die Tötungsanstalt Hadamar wurden Reichspostbusse eingesetzt.

Tagebucheintrag von Joseph Goebbels vom 22. Februar 1941. Zitiert nach Ralf Georg Reuth (Hg.): Joseph Goebbels Tagebücher 1924 – 1945, hier Bd. 4 1940 – 1942, München 1992.

150 jüdische Erkrankte aus insgesamt 25 Einrichtungen, unter ihnen Isidor Seelig und Iwan Alexander, wurden im September 1940 aus den Provinzen Hannover und Westfalen in die Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf überwiesen. Acht jüdische Erkrankte waren schon in Wunstorf untergebracht. Am 27. September 1940 wurden somit insgesamt 158 jüdische Erkrankte von Wunstorf in die Tötungsanstalt Brandenburg verlegt und dort mit Gas ermordet.

Die Liste ist leicht vergilbt. Sie ist mit Schreibmaschine geschrieben. Oben ist eine handschriftliche Notiz mit Kugelschreiber vorgenommen. In der Liste tabellarisch aufgeführt sind der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort der Person, außerdem die Einrichtung aus der die Person aufgenommen wurde.

Auszug aus dem Namentlichen Verzeichnis der überführten jüdischen Kranken, September 1940.

NLA Hannover Hann. 155 Wunstorf Acc. 38/84 Nr. 10.

Oberpräsident der Provinz Hannover an den Reichsminister des Innern. Zitiert nach: Asmus Finzen: Massenmord ohne Schuldgefühl, Bonn 1996.

Am 7. März 1941 wurden 122 Erkrankte im Rahmen der »Aktion T4« aus Lüneburg in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein verlegt. Sie wurden von Personal der Berliner »T4-Zentrale« begleitet. Sie reisten mit dem Zug. Hierfür mussten sie zu Fuß zum Lüneburger Bahnhof laufen. Dort wurden zwei Waggons an einen Personenzug angehängt. Die Erkrankten wurden direkt nach Pirna (Sachsen) gebracht und mussten nach der Ankunft erneut zu Fuß vom Bahnhof zur Tötungsanstalt laufen.

Am 7. März 1941 bringen die Nazis
122 Kranke aus Lüneburg in eine Tötungs-Anstalt.
Die Tötungs-Anstalt ist in Pirna-Sonnenstein.
Die Kranken sollen dort
mit Gas ermordet werden.
Die Nazis nennen das: Aktion T4.

Die 122 Kranken laufen von der Anstalt
zum Bahnhof.
Dann fahren sie mit dem Zug von Lüneburg nach Pirna-Sonnenstein.
In Pirna-Sonnenstein laufen die Kranken
vom Bahnhof zur Tötungs-Anstalt.
Die ganze Zeit sind Pfleger bei den Kranken.

Der Vermerk ist mit Schreibmaschine schräg auf ein Papier geschrieben. Der Vermerk listet 10 Punkte auf, welche bei der Verlegung beachtet werden sollen. Hierzu zählt zum Beispiel, welche Unterlagen bei der Verlegung mitgeben werden müssen, wie das Bargeld und das Eigentum der verlegten Erkrankten zu handhaben ist, wie die Erkrankten mit einem Leukoplast-Streifen namentlich zu kennzeichnen sind.

Vermerk: Betr. Verlegung von Geisteskranken, etwa 1940.

Kopie ArEGL.

Diese Vorgaben mussten bei der Verlegung erfüllt werden.

Nach Ankunft in der Anstalt Pirna-Sonnenstein wurden die Erkrankten untersucht und in einen Umkleideraum geführt. Sie mussten sich ausziehen. Von dort gelangten sie in die Gaskammer. Hinter der Gaskammer waren zwei Öfen, in denen die Ermordeten eingeäschert wurden. Leichenbrenner kippten die Asche einfach auf den Elbhang hinter der Anstalt.

Die Postkarte mit einer schwarz-weißen Stadtansicht ist leicht vergilbt. Es ist ein erhöhter Blick auf den Lauf des Flusses Elbe zu sehen. Zu beiden Seiten des Flusses sind Häuser zu erkennen. Auf der gegenüberliegenden Seite thront das Schloss oberhalb der Stadt. Mit blauem Stift ist oberhalb des Bildes ein handschriftlicher Gruß aufgeschrieben.

Postkarte, Pirna mit Schloss Sonnenstein (links oben), 1923.

ArEGL 99.

Das Foto ist schwarz-weiß. Im Hintergrund ist ein Schiff zu erkennen. August Golla steht neben einem älteren Mann an der Hafenkante. Er trägt dunkle Arbeitskleidung und feste Handschuhe. Auf dem Kopf hat er eine Mütze. Am Boden und an seinen Schuhen ist etwas Schnee zu sehen.

August Golla (rechts) im Hafen von Wesermünde (Bremerhaven), Postkarte vom 1.2.1928.

Privatbesitz Angelika Beltz.

Die Verlegung nach Pirna-Sonnenstein betraf nur männliche Erkrankte. Einer von ihnen war August Golla. Er stammte aus Wesermünde (heute Bremerhaven). August Golla arbeitete als Netzmacher und stand der Kommunistischen Partei nahe. Dies führte immer wieder zu Konflikten mit seinem Vater. Im November 1936 verhielt sich August Golla sonderbar und kam ins Krankenhaus. Von dort wurde er in die Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt überwiesen.

Carl Riemann war Polizeibeamter in Hamburg. Da er mit einer 15 Jahre jüngeren Jüdin verheiratet war, wurde er bei der Arbeit »gemobbt«. Das machte ihn krank. 1934 trennte sich das Paar. Er wurde in die Anstalt Friedrichsberg (Hamburg) aufgenommen, 1935 nach Hamburg-Langenhorn verlegt und 1936 von dort nach Lüneburg gebracht. Hier blieb er bis zu seiner Verlegung in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein. Als offizielles Todesdatum wurde der 24. März 1941 angegeben.

Es ist ein schwarz-weißes Porträtfoto. Es ist sehr klein und stark zerknittert. Ein junger Mann in dunkler Uniform und Schirmmütze ist bis zur Brust zu sehen. Er steht ein wenig seitlich und blickt freundlich direkt in die Kamera. Oben rechts auf dem Foto ist ein Teil eines Stempelabdrucks zu sehen.

Foto aus dem Führerschein von Carl Riemann, 1922.

Staatsarchiv Hamburg 352-8/7 Nr. 22076 | Kopie Martin Bähr.

Das vergilbte schwarz-weiße Porträt zeigt Johannes Müller in Uniform. Die linke Hand liegt am Gürtel und er blickt frontal in die Kamera. Er steht vor einer groben teilweise verputzten Steinmauer. Das Foto hat eine ovale Form und ist in ein Passepartout eingefasst.

Johannes Müller, um 1916.

Privatbesitz Helga und Ludwig Müller.

Johannes Müller aus Geestemünde (Bremerhaven) war gelernter Kaufmann. Sein Vater war Sattler und stattete Luxusschiffe aus. Als junger Mann hatte Johannes Müller im Ersten Weltkrieg gedient und lebte danach ein unpolitisches, christlich geprägtes, bürgerliches Leben. Er erkrankte in den 1930er-Jahren. Nach seiner Ermordung in Pirna-Sonnenstein bestattete die Familie die Urne mit seiner Asche im Familiengrab, das noch heute existiert.

Am 9., 23. und 30. April 1941 wurden insgesamt 357 Erkrankte der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg im Rahmen der »Aktion T4« in die Zwischenanstalt Herborn verlegt. Diese Verlegungen wurden von Beschäftigten der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg begleitet.

355 Erkrankte wurden am 12., 21. und 28. Mai sowie am 16. Juni 1941 von Herborn in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt. Dort stiegen die Erkrankten in einer Garage aus den Bussen aus. Sie wurden noch einmal medizinisch untersucht, in die im Keller gelegene Gaskammer geführt und ermordet. Nur zwei Lüneburger Erkrankte überlebten, weil sie bei der Untersuchung in der Garage als ausreichend arbeitsfähig bewertet wurden.

Es ist ein schwarz-weißes Foto. Es ist eine Aufnahme aus einem oberen Stockwerk auf die Heil- und Pflegeanstalt Hadamar in der Ferne. Hinter dem Hauptgebäude der Anstalt steigt dunkler Rauch in den Himmel. Es ist der Rauch des Krematoriums. Im Vordergrund des Bildes sind mit Schiefer gedeckte Dächer von Wohnhäusern zu erkennen. Es scheint geregnet zu haben.

Tötungsanstalt Hadamar mit rauchendem Schornstein, 1941.

Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, F 12/Nr. 192.

Reisepass von Heinrich Biester, ausgestellt am 13.4.1926.

ArEGL 127.

Ein Studium in den USA war geplant, dafür brauchte Heinrich Biester einen Reisepass. Doch dann erkrankte er und kehrte 1926 nach Hause zurück. Sein Zustand besserte sich nicht, und so kam er 1927 in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg.

Das Tagebuch von Heinrich Mund beginnt am 1. Januar 1926 und endet am 1. September 1944. Er beschreibt die Situation in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg zur damaligen Zeit. Versteckt kommen Hinweise auf den Krankenmord vor. Er deutet an, dass zu viele Kinder in der Heil- und Pflegeanstalt sterben, die er als Seelsorger bestatten muss. Auch die Sorge über die Verlegung seines Neffen Heinrich Biester und die Empörung über dessen plötzlichen Tod finden sich im Tagebuch wieder.

Heinrich Mund 1871 – 1945. Tagebuchnotizen aus den Jahren 1926, 1935 und 1937 – 1945, Abschrift und Auszug, S. 116.

ArEGL 161.

Es ist ein schwarz-weißes Porträt von Heinrich Mund. Er trägt einen Pastorentalar mit weißem, "Hamburger" Kragen. Er trägt eine runde Brille mit Metallgestell. Mit ernstem Blick schaut er direkt in die Kamera. Er hat eine hohe Stirn und trägt einen ergrauten Kinnbart. Auf dem Bild ist er über 60 Jahre alt.

Heinrich Mund, vor 1945.

Privatsammlung Familie Mund.

HEINRICH BIESTER (1901 – 1941)

Es ist ein schwarz-weißes Gruppenfoto der Familie Biester. Zwischen Blumen und Pflanzen stehen 18 Personen. Sie sind unterschiedlich alt. Alle Männer tragen Anzug mit Krawatte oder Fliege. Die Frauen tragen schmuckvolle Kleider. Heinrich Biester hat die Haare kurzgeschnitten und streng zurückgekämmt. Er blickt ernst in die Kamera.
Es sind drei Trostbriefe. Sie sind sehr vergilbt. Das Papier ist eng mit Schreibmaschine beschrieben. Die Briefe sind handschriftlich unterzeichnet.
Elfa trägt einen dunklen Rock mit kurzärmeliger Bluse und zurückgesteckten Haaren. Sie blickt in die Kamera. Ihre linke Hand liegt im Schoß ihrer Schwester, die sie hält. Paula legt den rechten Arm um Elfa. Paula trägt ein dunkles Kleid und frisierte Haare. Im Hintergrund sind Gemälde an einer Wand zu erkennen. Das Foto ist ein ovaler Ausschnitt.
Es ist ein Schwarz-Weiß-Porträt. Heinrich Biester blickt mit geschlossenem Mund in die Kamera. Er trägt ein dunkles hochgeschlossenes Hemd. Das Foto ist zweimal gelocht und an den Kanten leicht abgewetzt.
Die Bleistiftzeichnung von Gustav Sievers ist mit Wasserfarben und Buntstift koloriert und zeigt eine schick gekleidete korpulente Dame auf einem Fahrrad. Das Fahrrad hat einen gelben mit roten Schnörkeln verzierten Rahmen. Die Dame trägt einen gestreiften Rock und einen floral verzierten Überwurf. Ihre Ärmel sind lila. Sie sitzt sehr aufrecht auf dem Rad und hat einen sehr kleinen Kopf im Verhältnis zu Körper und Fahrrad.

Werk von Gustav Sievers. Ohne Titel, undatiert, Bleistift, Wasserfarben auf Durchschlagpapier.

Sammlung Prinzhorn Inv. Nr. 4332d.

Das Porträtfoto in Schwarz-Weiß zeigt Carl Langhein mit verschränkten Armen und seitlichem Blick. Er trägt einen dunklen Anzug mit Krawatte und die Haare kurz geschnitten.

Carl Langhein, vor 1905.

Aus: Adolf von Oechelhäuser: Geschichte der Grossh. Badischen Akademie der bildenden Künste, Karlsruhe 1904.

Die Lithographie zeigt eine mit klaren Strukturen gestaltete Szene. Auf einer von Seegras bewachsenen Düne liegt leicht nach links eine hellbraune, vermutlich hölzerne Kiste mit der Aufschrift »Kupferberg Gold«. Hinter der Kiste ist stürmisches Meer und ein kleines Schiff zu erkennen. In den unteren Ecken sind mit schwarzem Stift Künstler und Titel in Großbuchstaben aufgeschrieben.

Werbe-Postkarte von Carl Langhein, Wertvolles Strandgut Kupferberg Gold, Lithografie, vor 1927.

ArEGL 187.

Unter den Opfern der »Aktion T4« befanden sich viele Kunstschaffende und Kreative, deren Werke entwertet wurden. Einer von ihnen war Gustav Sievers, dessen Werke heute in der Sammlung Prinzhorn bewahrt werden. Erich Seer war erfolgreicher Grafiker, bevor er erkrankte. Zu Lebzeiten als Künstler und Lithograph geehrt wurde auch Carl Langhein. 1906 wurde ihm der Professorentitel verliehen, 1918 gründete er den Hanseatischen Kunstverlag.

Die Nazis ermorden bei der Aktion T4
viele Künstler.
Diese Künstler haben eine seelische Krankheit.
Die Nazis sagen:
Darum sind die Kunstwerke
von den Künstlern nichts wert.

Einer dieser Künstler ist Gustav Sievers.
Seine Kunstwerke sind heute
in der Sammlung Prinzhorn.

Erich Seer war auch Künstler.
Seine Kunst ist aus Schrift und Malerei.
Er ist sehr erfolgreich.
Aber dann wird er krank.
Er kann nicht mehr arbeiten.

Carl Langhein ist auch Künstler.
Er macht Kunst aus Schrift.
Er ist auch Lehrer für Kunst.
Er bildet andere Künstler aus.
Im Jahr 1906 ist er Professor.
Carl Langhein gründet einen Verlag
für Kunst-Bücher.

Die Collage zeigt eine Frau, die als Harlekin verkleidet auf einem Barhocker sitzt und mithilfe einer Pfeife Seifenblasen pustet. Es gibt drei weitere Bilder gleicher Machart. Der Grafiker und Künstler Erich Seer (1894 – 1941) hat sie aus verschiedenfarbiger Seide und schwarzem Karton geklebt. Ab 1938 war er Patient in Lüneburg und wurde am 7. März 1941 in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein ermordet.

Die Collage zeigt einen weiblichen Clown. Sie sitzt auf einem Barhocker. Sie hält ein Bein leicht erhoben mit der Hand fest. Sie trägt einen dreieckigen Clownshut mit zwei Bommeln. Aus einer langen Pfeife bläst sie drei Seifenblasen.

Collage von Erich Seer, vor 1941.

ArEGL 184.

Im Vergleich zu Männern wurden Frauen häufiger Opfer der Krankenmorde. Ihre Erkrankungen wurden oft durch Schwangerschaft oder Geburt ausgelöst, manchmal waren sie Opfer ehelicher Gewalt. Da sie meist keinen Beruf erlernt hatten, galten sie als »unnütz« und »lebensunwert«.

Die Nazis ermorden viele Menschen
bei der Aktion T4 und beim Kranken-Mord.
Es werden mehr Frauen als Männer ermordet.
Denn viele Frauen haben keinen Beruf.
Sie sind Hausfrauen.
Die Nazis denken:
Kranke Hausfrauen sind zu nichts
zu gebrauchen.
Sie haben kein Recht zu leben.
Darum werden sie oft ausgewählt
für den Kranken-Mord.

Es ist ein Gruppenfoto und zeigt 31 Personen. Die vorderen Personen sitzen. Die dahinter stehen. Es sind Männer und Frauen, Kinder und alte Menschen. Zwei Nonnen sind darunter. Elsa Spartz steht mittig in der Gruppe und trägt eine helle Bluse sowie einen dunkleren Rock. Heinrich Spartz steht neben ihr und trägt einen dunkeln Anzug mit Weste und dunkler Krawatte. Er trägt einen Schnurrbart und kurze, nach hinten gekämmte Haare.

Elsa und Heinrich Spartz (mittig), um 1911.

Privatbesitz Maria Kiemen/Matthias Spartz.

Christine Sauerbrey ist bis zur Hüfte abgebildet. Sie hält ein Papier in den Händen und steht leicht seitlich zur Kamera. Sie trägt ein groß-kariertes Kleid mit Spitzenbesatz an Hals und Armen. Ihre Haare sind nach oben frisiert.

Christine Sauerbrey, vor 1914.

Privatbesitz Traute Konietzko.

Agnes steht in einem Garten. Sie trägt ein langes, kurzärmeliges Kleid mit großem Blumenmuster. In der rechten Hand hält sie einen kleinen Strauß Blumen. Sie blickt ernst direkt in die Kamera. Ihre Haare sind nach hinten frisiert.

Agnes Fiebig (spätere Timme), 1929.

Privatbesitz Sabine Röhrs.

Die Hälfte der weiblichen Opfer der »Aktion T4« war verheiratet. Der Ehemann von Elsa Spartz war Chefarzt des Hamburger St. Marien-Krankenhauses. Obwohl er vom Krankenmord wusste, rettete er seine Frau nicht. Christine Sauerbrey blieb ihrem Ehemann treu, als er politisch verfolgt wurde. Als sie erkrankte, ließ er sich von ihr scheiden. Als Agnes Timme nach der Geburt ihres vierten Kindes erkrankte, kümmerte sich ihr Ehemann nicht mehr um die gemeinsamen Kinder. Sie kamen in ein Heim.

Auch ein wohlständiger, bürgerlicher Hintergrund und eine private Kostenübernahme des Anstaltsaufenthaltes schützten nicht vor der Verlegung in eine Tötungsanstalt. Erkrankte mit bürgerlicher Herkunft waren hin und wieder unwillig, in der Heil- und Pflegeanstalt stundenlang körperlich harte Arbeit auf dem Feld, in der Schäl- oder Waschküche zu leisten. Erkrankte, die sich verweigerten, kamen daher eher für die Verlegung in eine Tötungsanstalt infrage.

Es gibt auch Kranke mit viel Geld.
Und es gibt Kranke, die wichtige Personen kennen.
Zum Beispiel: Politiker.
Aber das hilft ihnen nicht.
Sie kommen auch in Tötungs-Anstalten.

Die Kranken müssen in der Anstalt
in Lüneburg hart arbeiten.
Einige Kranke wollen nicht arbeiten.
Vor allem Kranke mit viel Geld wollen
nicht arbeiten.
Sie wollen auch nicht helfen.
Zum Beispiel:
• in der Küche.
• in der Wäscherei.
• bei der Garten-Arbeit.

Die Ärzte bewerten sie dann als faul.
Die Nazis wollen keine faulen Kranken.
Wer nicht hart arbeitet,
kommt in eine Tötungs-Anstalt.

Es ist ein schwarz-weißes Fotoporträt. Irmgard Ruschenbusch ist bis zur Brust zu sehen. Sie steht leicht seitlich und guckt in die Kamera. Sie trägt einen Hut mit breiter Krempe. Sie trägt ein helles, langärmeliges Oberteil.

Irmgard Ruschenbusch, um 1917.

Privatbesitz Michael Schade.

Irmgard Ruschenbusch war Arzttochter und kam aus einer freichristlichen Familie, aus der viele Pastoren und Missionare hervorgegangen waren. Ihre Herkunft bewahrte sie nicht vor der Ermordung.

Viele der über 70.000 Opfer der »Aktion T4« hatten keine deutsche Staatsbürgerschaft oder waren im Ausland geboren und mit einer/einem Deutschen verheiratet, beispielsweise die Britin Martha Büchel (geb. Caselton).

Viele Opfer der Aktion T4 sind Ausländer.
Sie kommen nicht aus Deutschland.
Sie sind in einem anderen Land geboren.
Oder sie haben
keine deutsche Staats-Bürgerschaft.
Oder sie haben einen Deutschen geheiratet.
So ist es auch bei Martha Büchel.
Sie kommt aus England.

Die Einbürgerungsurkunde ist vergilbt und sieht sehr viel genutzt aus. Sie ist mindestens dreimal gefaltet gewesen und weist viele Knicke und kleinere Risse auf. Sie ist handschriftlich ausgestellt. Sie trägt neben der Unterschrift ein schwarzes Siegel der Preußischen Regierung zu Münster.

Einbürgerungsurkunde Familie Büchel, 6.8.1920.

Privatsammlung Günter Ahlers.

Martha Büchel war in London (Großbritannien) geboren und aufgewachsen. Sie gehörte zu mindestens 13 Frauen und Männern mit britischer Herkunft, die Opfer der »Aktion T4« wurden. Sie war mit dem berühmten deutschen Kunsttischler Georg Büchel verheiratet, der nach der Internierungszeit und dem verlorenen Ersten Weltkrieg in Großbritannien keine Zukunft mehr hatte. Sie wurde am 12. Mai 1941 in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet.